Intimer Betrug
gab es von ihm keine Spur mehr.«
»Was ist gestern vorgefallen?« Ihre Stimme zitterte und die Knie wurden ihr weich. Sie ging zum Sofa und setzte sich.
»Ich hatte Wedgewood dabei. Wir haben das Haus wie immer ein paar Stunden beobachtet und keine Aktivität wahrgenommen. Als wir wieder wegfahren wollten, haben wir den Weg hinten herum genommen, am Kutschenhaus vorbei. Wedgewood bemerkte ein paar frische Spuren, die ihn neugierig machten, und wir sind ausgestiegen, um einen Blick darauf zu werfen. In dem Moment, als wir uns bückten, um sie zu untersuchen, zischte eine Kugel an mir vorbei und blieb im Holz der Kutschenhaustür stecken. Ich wurde nicht verletzt, Grace.«
»Aber du hättest getroffen werden können.«
Er setzte sich neben sie. »Ja, das hätte ich.«
Sie verkrampfte die Hände in ihrem Schoß und biss sich auf die zitternde Unterlippe. Sie sah, dass er Anstalten machte, den Arm um sie zu legen. Als sie sich in die eine Ecke des Sofas drückte, hielt er jedoch inne.
»Ich habe die Behörden verständigt und sie haben mir versprochen, nach ihm Ausschau zu halten. Aber …«
»Aber?«
»Ohne Beweise können sie nicht viel machen. Ich habe ihn nie richtig gesehen. Sie haben nur meine Aussage, dass er verantwortlich ist.«
Grace verarbeitete das Gehörte. Plötzlich wurde ihr alles zu viel und sie befürchtete, in eine Million Stücke zu zerspringen, wenn er sie nicht in die Arme schloss.
»Vincent?«
»Ja.«
»Nimmst du mich bitte in den Arm?«
»Ja, natürlich.«
Er legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. Dann lehnte er sich mit ihr gegen die gepolsterte Rückenlehne.
»Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst, Grace. Die Aufregung ist nicht gut für dich.« Er legte seine Hand auf ihre, die auf ihrem Bauch ruhte, und hauchte einen Kuss auf ihr Haar.
»Weißt du, was mir am meisten Angst gemacht hat?«, fragte sie und bemühte sich um eine feste Stimme. »Sogar noch mehrals die Vorstellung, den Rest meines Lebens ohne dich verbringen zu müssen?«
»Nein.«
Tränen liefen ihr über die Wangen und sie wischte sie sich mit den Fingern fort. »Es war die Vorstellung, mein Leben in dem Wissen bis zum Ende leben zu müssen, dass ich dir in letzter Zeit nicht gesagt habe, wie sehr ich dich liebe.«
Sie hörte und spürte, wie er Luft holte. »Grace, ich …«
Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Ich erwarte nicht, dass du etwas dazu sagst. Es ist nicht deine Schuld, dass ich mich so hoffnungslos in dich verliebt habe. Es ist eine Wahl, die ich sehenden Auges getroffen habe.« Sie schmiegte sich enger an ihn, weil sie wusste, dass es Dinge gab, die sie ihm sagen musste, die nicht aufgeschoben werden durften.
»Ich habe von Anfang an gewusst, dass du meine Liebe nicht erwidern kannst.«
»Grace, ich …«
»Es ist schon in Ordnung, Vincent«, unterbrach sie ihn. »Ich verstehe, warum du dein Herz nicht aufs Spiel setzen kannst. Mir ist klar, dass du nicht wieder geheiratet hättest, wenn ich dich nicht durch mein Handeln dazu genötigt hätte. Dass ich dich in diese missliche Lage gebracht habe.«
Grace spürte, wie sein Griff um sie fester wurde, und als er sie noch einmal auf den Scheitel küsste, wurde ihr die Kehle eng. Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern, so schwer lastete das Gefühl auf ihr. »Du sollst wissen, dass ich nichts anders machen würde, selbst wenn ich es könnte.«
Sie legte die Hand auf seine Brust und ließ sie dort. »Und jetzt will ich, dass du mir einen Gefallen tust und mir etwas versprichst, Vincent.«
»Alles, was du willst, Grace.«
»Zuerst das Versprechen. Ich will, dass du schwörst, mir nie wieder etwas zu verheimlichen. Ich habe mich mein Leben lang vor dem Nichtwissen gefürchtet. Das Zusammenleben mit meinem Vater war schlimm genug. Ich habe gelernt, mit allemzurechtzukommen, so lange ich weiß, was mir bevorsteht. Versprichst du mir das, Vincent?«
Sie hörte ihn leise lachen. »Ich habe dich wieder einmal unterschätzt, nicht wahr? Ich hätte an deinen Mut denken müssen, auf den du mich ständig hinweist.«
»Ja, daran hättest du denken sollen.«
Sie legte die Hand an seine Wange. »Und jetzt der Gefallen.« Ihr Daumen strich über seine Lippen. »Ich möchte, dass mein Mann mich nach oben bringt.«
Sie sah die Zweifel in seinem Gesicht.
»Bist du dir auch sicher, Grace?«
»O ja. Ganz sicher.«
Vincent senkte den Kopf und küsste sie mit einer Leidenschaft, in die sich Verzweiflung mischte. Sie
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