Intimer Betrug
auch noch Sie töten. Aber …« Er zuckte mit den Achseln.
Grace sah die Entschlossenheit in seinen Augen und wusste, dass sie mit Worten nichts ausrichten konnte. Es gab keine Möglichkeit, ihm den Mord an ihr auszureden. Sie tastete sich langsam zu Vincents Schreibtisch vor.
Sie wusste, dass die Pistole, die Vincent in der Schublade aufbewahrte, nicht mehr darin lag, aber vielleicht fand sie irgendein Messer. Irgendetwas, womit sie sich verteidigen konnte.
Bis dahin verlegte sie sich aufs Hinhalten. »Damit kommen Sie nicht durch. Vincent wird wissen, dass Sie es waren.«
Lächelnd kam Germaine auf sie zu. »Nein, wird er nicht. Er wird nicht einmal einen Verdacht hegen. Selbst wenn er Parker irgendwie entkommt, wird ihn der Schock, Sie und seinen Erben tot vorzufinden, in Melancholie verfallen lassen. Er liebt Sie nämlich, wissen Sie? Ich bin mir nicht sicher, ob er eine von seinen anderen Frauen geliebt hat, aber jeder, der Sie beide zusammen sieht, weiß, was er für Sie empfindet. Eigentlich schade für Raeborn.« Er trank langsam von seinem Brandy. »Endlich alles zu haben, nur um es gleich wieder zu verlieren.«
Langsam zog Grace eine Schublade einen Spalt breit auf und lugte verstohlen hinein. Nichts. Dann eine andere. Derweilsprach Vincents Cousin weiter, als sei er völlig entrückt. Verloren im Wahn seines perfekt ausgeklügelten Plans.
»Niemand wird es auch nur hinterfragen, wenn er mit einer Kugel im Kopf aufgefunden wird. Vielleicht wird auch Fentington die Lorbeeren für Raeborns Tod ernten.«
Grace betastete die Papiere, die verstreut auf der Schreibtischplatte lagen. Vielleicht irgendwo darunter …
Ihre Finger schlossen sich um einen Brieföffner.
»Ich konnte mein Glück kaum fassen, als Raeborn Fentington für den Schuldigen hielt.« Ein Lächeln erhellte Germaines Gesicht. »Er hat mich keine Sekunde lang verdächtigt, nicht wahr?«
Grace blickte abrupt auf. »Nein. Keine Sekunde.«
Germaines Miene verdüsterte sich. »Es reicht! Wir haben genug Zeit vergeudet. Kommen Sie mit. Wir werden jetzt zusammen einen Spaziergang durch den Garten unternehmen. Ich meine mich an einen hübschen Teich irgendwo in der Mitte zu erinnern. Als Kind wurde ich immer ermahnt, aufzupassen und nicht zu nah an den Rand zu gehen. Das Wasser ist nämlich ganz schön tief, wissen Sie.«
Grace umklammerte den Brieföffner fester, als ein neuer Schmerz ihren Körper durchzuckte. Sie konnte es nicht verbergen. Sie lehnte sich schwer gegen den Schreibtisch und keuchte.
Germaines Augen weiteten sich. Sie erkannte bei ihm die ersten Anzeichen von Nervosität. »Wie ich sehe, komme ich fast zu spät«, sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Mit einer so frühen Niederkunft hätten Sie und Raeborn die Gesellschaft wahrlich schockiert.«
»Bitte«, flehte Grace und hielt die Luft an, bis der Schmerz nachließ. »Es ist noch nicht zu spät. Wenn Sie jetzt gehen, verspreche ich …«
»Nein! Es darf keinen Erben geben. Das Kind, das Sie unter dem Herzen tragen, bekommt alles und ich nichts. Nichts! Wie ich schon mein ganzes Leben lang nichts hatte. Ich musste immer um das Geld betteln, das ich zum Leben brauche. Dabeisteht es mir zu. Das hat es immer schon. Und ich lasse es mir nicht von einem Kind wegnehmen.«
Grace starrte ihn fassungslos an. Hass färbte jedes Wort, in seinem Blick lagen Niedertracht und Missgunst. Er hasste Vincent abgrundtief. Wieso hatte sie das nicht früher erkannt? Germaines Gier war wie ein lebendes, atmendes Geschwür, das seinen Verstand, seinen Körper und seine Seele zerstörte. Sein Hass war so stark, dass er wahrhaftig glaubte, der Titel und das Vermögen der Raeborns stünden ihm zu.
Germaine hielt ihr die Hand hin. »Gehen wir, Euer Gnaden. Wenn jemand fragt, können Sie ja sagen, dass Sie frische Luft brauchen. Ich begleite Sie nur.«
Grace schüttelte den Kopf.
»Jetzt sofort!«, brüllte er, hob die Pistole und machte einen drohenden Schritt auf sie zu.
Grace verbarg den Brieföffner in ihren Rockfalten. Sie würde warten, bis sie den Raum verlassen hatten, bevor sie einen Fluchtversuch wagte. Carver würde sie bestimmt hören und ihr zu Hilfe kommen, oder einer der Gärtner oder der anderen Diener.
Sie geriet ins Straucheln, als er sie mit schmerzhaft festem Griff zu den Terrassentüren zerrte. Da erfasste sie ein neuer Schmerz, diesmal so heftig, dass sie sich krümmte.
Grace hielt sich den Bauch, als ihr erster Schrei im Zimmer
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