Intimer Betrug
dunkelroten Samtsessel am verlöschenden Feuer und wartete, betete, dass er es sich anders überlegte und schlussendlich doch noch zu ihr käme.
Stunden später hörte sie ihn die Treppe hinaufsteigen. Dann das leise Geräusch seiner Tür, die sich schloss.
Ihr Herz hämmerte erwartungsvoll. Sie wartete und betete, dass sich die Verbindungstür zwischen ihren Zimmern öffnen würde. Dass er sie in ihrer Hochzeitsnacht nicht allein ließe. Dass er nicht vorhatte, eine so kalte Ehe mit ihr zu führen. Dass …
Noch lange, nachdem die letzte Glut im Kamin erloschen war, saß Grace im Dunkeln. Sie bekam Kopfweh, wurde zusehends gereizter und ihr Herz schmerzte wie noch nie zuvor.
Sie holte zitternd Luft, als ihr schlagartig klar wurde, was Linny mit ihrem Rat gemeint hatte.
Du durchbrichst die Mauer, die er errichtet, mit Geduld und Liebe … Und gib ihm keine Chance, sich von dir abzuwenden.
Grace ließ ihre Decke zu Boden gleiten und ging zu der Tür, die ihre Zimmerfluchten miteinander verband. Sie verstand jetzt in aller Deutlichkeit, wie viel sie wirklich verlieren würde, wenn sie ihm die Chance gäbe, sich von ihr abzuwenden.
Kapitel 15
V incent stand am Schlafzimmerfenster und blickte in die Dunkelheit hinaus. Auf der Straße war es still. Die letzten Gäste waren schon lange nach Hause gegangen. Der Tag seiner Hochzeit war endlich vorüber. Und irgendwie hatte er ihn überlebt.
Verdammt, er hätte sich nie träumen lassen, noch einen Hochzeitstag hinter sich bringen zu müssen.
Von heute Morgen an, als er Wedgewoods Stadthaus betreten hatte, hatte sich jede Kleinigkeit in sein Gedächtnis eingeprägt. Er hatte gehofft, einen Moment mit Grace allein sein zu können. Um sie darauf vorzubereiten, wie ihr Zusammenleben aussehen würde, statt die Überraschung, ja die Enttäuschung auf ihrem Gesicht zu sehen, als er sie heute Abend zu ihrer Suite geleitet und dort sich selbst überlassen hatte.
Doch es hatte sich keine Gelegenheit ergeben, mit ihr zu sprechen. Caroline schützte als Entschuldigung vor, dass Grace damit beschäftigt sei, sich für die Hochzeit fertig zu machen, doch er wusste, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Er wusste, dass sie unter Übelkeit litt. Von dem Baby, mit dem sie schwanger war. So wie ihr während ihres Aufenthaltes auf dem Land jeden Morgen übel gewesen war, auch wenn sie es vor ihm zu verbergen versucht hatte.
Vincent kämpfte gegen eine Welle der Furcht an, die ihn fast überwältigte. Er hatte nie zu einer Familie wie der von Grace gehört. Einer Familie voller Lebendigkeit, Liebe und Fröhlichkeit. Allein schon die schiere Anzahl der Schwestern war überwältigend, ihre Ausgelassenheit verblüffend. Er war ohne Geschwister aufgewachsen und bis zum heutigen Tage hatteseine engere Familie nur aus ihm und seinem Cousin bestanden. Grace hingegen war in einer großen Familie aufgewachsen, die über Wedgewoods Stadthaus hereingebrochen war wie eine ganze Festgesellschaft. En masse. Die ganze Familie. Alle sechs Schwestern samt Ehemännern.
Lord und Lady Wedgewood waren natürlich schon da gewesen. Dann kam Josalyn mit ihrem Gemahl Viscount Carmody. Und Francine mit ihrem Gatten, dem Earl of Baldwin. Und Sarah mit ihrem Angetrauten Baron Hansley. Und Mary mit ihrem Mann, dem Earl of Adledge. Und schließlich Lady Anne mit ihrem Gatten Wexley.
Glücklicherweise waren die Kinder – gütiger Himmel, insgesamt elf, und soweit er es beurteilen konnte, würden es bis Weihnachten noch mehr werden – sofort mit einem Regiment aus Gouvernanten und Kindermädchen in die obere Etage verbannt worden. Wie konnten sie so leichtfertig sein, wenn es ums Kinderkriegen ging? Wie konnten diese Männer es immer wieder riskieren, dass ihre Frauen bei der Geburt sterben könnten?
Zunächst hatte er geglaubt, dass ihre Ehen nicht auf Liebe oder überhaupt irgendwelchen Gefühlen in der Richtung beruhten. Doch das war nicht der Fall. Die Zuneigung zwischen den Schwestern und ihren Ehemännern war unübersehbar, manchmal sogar erstaunlich in der Art, wie sie sich ansahen, sich anlächelten, und in der Vertrautheit, mit der sie einander berührten.
Vincent konnte sich das nur damit erklären, dass sie es nicht wussten. Sie hatten den verheerenden Schmerz noch nicht erfahren, jemanden zu verlieren, dem man zugetan war, in dem Bewusstsein, dass man selbst die Schuld daran trug.
Er schloss die Augen und beschwor Angelines herzförmiges, lächelndes Antlitz und Lorraines ernsthaftes
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