Intimer Betrug
griff nach ihm und küsste ihn leicht auf die Lippen. Er erwiderte den Kuss.
»Grace, ich weiß nicht so recht …«
Sie legte den Finger auf seinen Mund. »Ich habe plötzlich das große Bedürfnis, im Freien zu sein.«
Vincent seufzte schwer. Wie konnte er ihr diesen Wunsch abschlagen? »Carver«, rief er, und der Butler erschien sofort. »Lassen Sie die Kutsche vorfahren.«
Carvers Augenbrauen wölbten sich.
»Siehst du, Grace? Selbst Carver findet, dass du nicht ausfahren solltest.«
»Ich weiß. Aber Carver neigt dazu, sich Sorgen zu machen. Nicht wahr, Carver?«
»Ja, Euer Gnaden. Ich sorge mich meist zu sehr.«
»Sie und mein Ehemann.« Sie seufzte kopfschüttelnd. »Dagegen werde ich etwas unternehmen müssen.«
»Sehr wohl, Euer Gnaden. Ich lasse die Kutsche vorfahren und weise Alice an, zusätzliche Wolldecken bereitzulegen. Der Frühling hat gerade erst begonnen und am späten Nachmittag kann es noch sehr kühl sein.«
»Danke, Carver«, sagte Grace.
Den Arm um die Taille seiner Frau geschlungen, wartete Vincent mit ihr auf die Kutsche, während die Gefühle in ihm wüteten wie eine feindliche Armee, die von allen Seiten angriff.
»Du machst dir Sorgen, Vincent«, stellte sie fest und lehnte sich an ihn.
»Nur ein kleines bisschen.«
Er spürte, wie sie in seinen Armen bebte, und wusste, dass sie ihn auslachte.
»Du bist kein sehr guter Lügner«, befand sie, entzog sich ihm und blickte zu ihm auf. »Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, Vincent? Ich habe dir gesagt, dass ich genug Mut für unsbeide habe. Vertrau mir. Es besteht kein Grund zur Sorge. Ich sage dir schon, wenn dem so sein sollte.«
Er streichelte mit dem Handrücken über ihre Wange. Ihre Haut fühlte sich weich an. »So etwas wie dich gibt es nur einmal, Grace. Ich weiß nicht, wie du dich so lange vor der Welt verstecken konntest.«
»Ich habe gewartet, bis mich der perfekte Herzog findet.«
Vincent lächelte und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen. Sie hob abwehrend die Hand.
»O nein! Carver kommt jeden Moment zurück und ich lasse mich nicht schon wieder von ihm beim Küssen erwischen. Sonst denkt das Personal noch, dass wir nichts anderes tun.«
Vincent lachte. »Nein, Grace. Das Personal weiß sehr wohl, dass das nicht
alles
ist, was wir tun.«
Als sie tiefrot anlief, lachte Vincent noch lauter. Dann fuhr er mit ihr aus, in dem Wissen, dass er in seinem Kampf, sein Herz zu schützen, noch mehr an Boden verloren hatte.
Kapitel 17
G race stand vor dem Spiegel, während Alice sich mit den winzigen Perlmuttknöpfen am Rücken ihres Kleides abmühte. Bei jedem Ziehen von hinten spannte sich der smaragdgrüne Stoff vorne fest – zu fest.
»Das reicht, Alice. Knöpfen Sie es wieder auf und bringen Sie mir das pfirsichfarbene Kleid. Das ist in der Mitte weiter geschnitten.«
»Ja, Euer Gnaden.«
Grace trat aus dem zu engen Kleid und betrachtete sich kritisch im Spiegel, während Alice das nächste Kleid holte. Sie war erst im vierten Monat und schon so rund, dass ihr fast nichts mehr passte. Warum war es bei ihr nicht so wie bei Caroline? Deren Geburtstermin war in knapp zwei Monaten, aber trotzdem war sie erst jetzt gezwungen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Grace hingegen hätte Glück, wenn ihr bis dahin noch zwei Wochen blieben.
»Du bist spät dran.«
Vincents Stimme, die von der Verbindungstür zwischen ihren Schlafzimmern kam, riss sie aus ihren Betrachtungen und sie drehte sich zu ihm um.
»Willst du lieber zu Hause bleiben, Grace?«
Er lehnte lässig am Türrahmen und sah so gut aus, dass es ihr den Atem raubte. »Nein. Das ist Carolines letzter Abend, bevor sie sich zurückzieht, und ich habe ihr versprochen, dass wir mit ihr und Wedgewood in die Oper gehen.«
»Bist du sicher?«
Grace lächelte. »Natürlich. Ich weiß nur nicht, was ich anziehen soll.«
»Ich verstehe.« Er stieß sich vom Türrahmen ab und trat ein.
Er war fast ausgehfertig. Sein blütenweißes Leinenhemd lag eng an seinen breiten Schultern und das weiße Seidenhalstuch war zu einem perfekten Knoten um seinen Hals gebunden. Grace musste sich beherrschen, sich nicht in seine Arme zu schmiegen.
Er runzelte die Stirn. »Geht es dir nicht gut?«
»Alles in Ordnung«, versicherte sie ihm und setzte ein Lächeln auf. Sie zwang sich, auch weiterzulächeln, als er den Blick auf ihren Bauch senkte. Auf ihren wachsenden Taillenumfang.
»Ich glaube, ich werde mich viel früher aus der Gesellschaft zurückziehen
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