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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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immer derjenige bin, der anfängt, hast du auch gar keine Chance, es zu tun.«
    Â»Ach, vergiss es. So oder so – ich tue es einfach nie. Du hättest größere Chancen, im Lotto zu gewinnen, als dass ich dich zum Vögeln verführe!« Thomas und Sharon lachten.
    Nun war es an der Zeit für mich, das Wort zu ergreifen. »Bei Ihnen geht es ständig um Konkurrenz. Wetteifern Sie jetzt darum, wer von Ihnen ehrlicher ist und wer sich über seine Situation am klarsten ist? Wird das Ihr nächstes Problem sein, wenn Sie hier weggehen?«
    Sharon schaute Thomas an, und Thomas blickte zu Boden. Sharon sagte: »Das hier ist zwar nicht so, wie wenn man im Lotto gewinnt, aber ich fühle mich besser als vorher. Ich fühle mich freier und leichter. … Ich muss dies für mich selbst tun. Ich muss aufhören, dich wie einen Trottel zu behandeln, denn ich weiß, dass du das nicht bist. Und ich muss aufhören, dir Sex vorzuenthalten, denn dadurch verletze ich mich nur selbst.«
    Thomas blickte auf. Er wartete einen Augenblick, um zu signalisieren, dass er nicht reflexhaft antwortete. »Auf die Gefahr hin, dass es so klingt, als wollte ich dich nur nachahmen, muss ich sagen: ›Ich auch!‹ … Ich muss auf meinen eigenen Füßen stehen und geradeheraus reden, auch wenn du es nicht tust. … Außerdem muss auch ich aufhören, mich von dir zurückzuhalten. … Und wenn das bedeutet, dass ich zu dir in Konkurrenz trete, dann fick mich doch!« »Vielleicht sollte ich dich beim Wort nehmen!«, antwortete sie lachend. Thomas war sprachlos. Er schaute Sharon aus den Augenwinkeln an und lachte ein wenig, weil er kaum glauben konnte, was er da hörte.
    Am Ende unserer Sitzung fühlten sich Sharon und Thomas besser, aber verunsichert. Selbstbestätigte Intimität erzeugt intensive Augenblicke der Begegnung, tiefe intersubjektive Erlebnisse. Auf dieser Ebene waren die beiden sowohl sich selbst als auch einander fast völlig fremd. Sie fühlten sich so verlegen wie zwei Menschen, die gerade den ersten Kontakt zueinander aufnehmen.
    Zwischenmenschliche Erlebnisse
    Auf dem Heimweg waren Sharon und Thomas freundlich zueinander. Beide hingen ihren Gedanken nach und dachten über das Geschehene nach. Als sie meine Praxis verließen, fühlten sie sich wie ein Paar . Das war deshalb so, weil sie sich nun unabhängiger voneinander fühlten und entsprechend handelten. Sie hatten ein stärkeres Gefühl von Verbundenheit und fühlten sich freier. Diese Stimmung war schnell entstanden, und sie konnte ebenso schnell wieder verschwinden. Die zuvor beherrschende Wut war einem Gefühl der Hoffnung gewichen.
    Als Sharon und Thomas an diesem Abend zu Bett gingen, lag die Frage in der Luft, ob die Zeit reif war für Sex. Thomas wäre dazu bereit gewesen, wollte aber die positive Entwicklung, die sich zwischen ihm und Sharon anbahnte, nicht gefährden. Er war sowohl von sich selbst als auch von ihr beeindruckt. Sharon wirkte attraktiver auf ihn als gewöhnlich.
    Dann entschloss er sich doch, Sharon zu fragen, ob sie Lust auf Sex hätte. Sie antwortete reflexhaft mit einem »Nein«. Sharons Reaktion war weniger aggressiv als sonst, und sie bereute sie gleich anschließend. Sie hatte keinen Augenblick darüber nachgedacht, ob sie Lust auf Sex hatte oder nicht. Ihre eigene Reaktion schockierte sie. Auf dem Weg nach Hause hatte sie selbst gedacht, Sex könnte in dieser Situation schön sein.
    Thomas sah beide Seiten von Sharons Reaktion. Er hatte von ihr eine reflexhafte negative Antwort erhalten, aber auch gemerkt, dass sie sich bemüht hatte, sich zu mäßigen. Ihre Stimme hatte nicht wie sonst die Botschaft vermittelt: »Du machst mich wütend! Hör’ auf, mich damit zu belästigen!« Doch für ihn war und blieb das Resultat eine Zurückweisung.
    Thomas sank resigniert in sich zusammen. Sharon bereitete sich auf das emotionale Sperrfeuer vor, das sie von ihm gewohnt war. Gewöhnlich reichte eine Antwort wie diese von ihr aus, um bei ihm einen Wutanfall auszulösen. Doch diesmal behielt er die Kontrolle über sich. Nicht nur sein gespiegeltes Selbstempfinden hatte diesmal einen Hieb abbekommen, sondern er fühlte sich auch in seinen positivsten Bestrebungen ignoriert und verletzt. Die Hoffnungen, die er nach der Therapiesitzung geschöpft hatte, hatten sich als nichtig erwiesen. Erwar

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