Intimitaet und Verlangen
kürzlichen Streits. Mir wurde klar, dass es an der Zeit war, beide zu konfrontieren. »Sie wissen beide, dass Ihr Partner einen weichen emotionalen Unterbauch hat. Warum verhalten Sie sich dann ständig so, als ob das nicht der Fall wäre?«
Betretenes Schweigen erfüllte den Raum. Es dauerte einige Augenblicke, bis Sharon und Thomas klar wurde, dass meine Frage nicht rhetorisch gemeint gewesen war. Ich erwartete eine Antwort. Doch sie schwiegen noch eine volle Minute. Dann sprach zunächst Thomas zögernd.
»Sharon tut so, als ob sie jederzeit bereit sei zu reden, aber wenn ich mit ihr über schwierige Themen zu sprechen versuche, läuft sie weg. Sie überdeckt ihre eigene Unsicherheit, indem sie mir anhängt, ich hätte Intimitätsprobleme. ⦠Ich weià genau, was sie im Sinn hat. Aber ich tue so, als ob ich es nicht wüsste, weilich mich verletzt fühle. Ich tue so, als würde ich nicht merken, dass sie etwas überdeckt, weil auch ich mich unsicher fühle. Mir ist völlig klar, dass sie einen weichen emotionalen Unterbauch hat. Es ist aber leichter für mich, auf ihre harte äuÃere Schale zu reagieren, weil ich so meine Wut ausdrücken kann. ⦠Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich meine Wut unter Kontrolle halten kann â¦Â«
Sharon war schockiert. Dies war eine echte Demonstration selbstbestätigter Intimität. Sie zeigte, dass Thomas eine andere Position als bisher bezog und sich ernstlicher um eine Lösung bemühte. Was er sagte, klang nicht wie eine Anklage. Er sprach sehr sachlich, und seine Stimme wirkte ruhig. Er war nun endlich bereit, sich ernsthaft mit sich selbst und seinem Leben auseinanderzusetzen.
Aber nicht nur deshalb war Sharon schockiert. Thomas verstand offenbar sehr wohl, was es mit Gefühlen auf sich hatte und wie andere Menschen dachten. Es dauerte einige Minuten, bis ihr klar wurde, dass er die ganze Zeit über gewusst hatte, was in ihr vor sich ging. Sie schaute Thomas ununterbrochen an. SchlieÃlich fing auch sie an, bedächtig zu sprechen, als ob sie ihre Gedanken unmittelbar nach deren Auftauchen ausspräche.
»Ich tue das ⦠Ich tue es auch ⦠Ich tue so, als ob ich die sensible Seite von Thomas nicht sehen würde, ⦠weil ⦠weil ich Angst habe ⦠dass er tief innerlich ⦠sensibler ist als ich.«
»Waaas?!« Thomas schaute sie mit weit aufgerissenen Augen fassungslos an.
»Ich habe Angst davor, dass du sensibler bist als ich.« Dies war selbstbestätigte Intimität. Sharon formulierte ihre Aussage als Tatsache. Ihr ging es in diesem Moment nicht um Bestätigung von auÃen.
Der gesamte Groll, der den Raum zuvor erfüllt hatte, löste sich augenblicklich in nichts auf. Zwei Beispiele für selbstbestätigte Intimität erzeugten Hoffnung. Dies war der erste positive Austausch zwischen ihnen seit langer Zeit.
»Ich habe nicht gewusst, dass du dieses Gefühl hattest!« In der Art, wie er dies sagte, schwang mit: Es muss entsetzlich gewesen sein, dies zu empfinden!
»Ich zeige dir das nicht.« Dies war erneut selbstbestätigte Intimität von seiten Sharons. Ich hörte: Mir geht es nicht um Sympathie. Das hier ist für mich schwierig, aber ich bin bereit, es auf mich zu nehmen. Du magst versuchen, dich in mich einzufühlen, und vielleicht meinst du auch, du könntest in mir lesen wie in einem Buch, aber das kannst du nicht. Es gibt immer noch Dinge, die du nicht über mich weiÃt.
Sharon folgte Thomasâ Beispiel, indem sie sich offen mit der Situation konfrontierte. Zwischen beiden bestand Einklang. Ihre vorherigen Sticheleien undStreitereien hatten meist einen negativen und verunsichernden Charakter gehabt. Gewöhnlich gelangte in solchen Situationen ihr Ehrgeiz, einander auszustechen, zum Ausdruck. Die soeben beschriebene Reaktion und Gegenreaktion im Sinne selbstbestätigter Intimität war etwas völlig Neues und wurde von beiden als wesentlich stimmiger empfunden als ihr vorheriges Verhalten.
Thomas sagte: »Ich verstehe, warum du das vor mir verborgen hast. Wahrscheinlich hätte ich es benutzt, um dich zum Sex zu drängen.«
Sharon antwortete: »Ich verstehe auch, warum du das getan hättest. Es liegt an mir, dass du mich zum Sex drängst, denn bei uns läuft sonst nun einmal sexuell nichts. Ich fange nie von mir aus damit an.«
»Aber weil ich
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