Intrige (German Edition)
Lösung eingefallen. Mit deiner Erlaubnis werde ich mich mit dem Vizepräsidenten des Senats, Auguste Scheurer-Kestner, in Verbindung setzen.«
»Warum ausgerechnet mit ihm?«
»Zunächst einmal ist er ein alter Freund der Familie, mein Vater war sein Mathematiklehrer, ich kenne ihn also. Er ist Elsässer, das ist immer beruhigend. Er ist reich und deshalb unabhängig. Aber vor allem ist er Patriot. Er hat in seinem ganzen Leben nie schändlich oder eigennützig gehandelt. Das soll er erst einmal versuchen, dein Freund Major Henry, den alten Auguste als Verräter zu verleumden!«
Ich lehne mich zurück und denke darüber nach. Ein weiterer Vorzug von Scheurer-Kestner ist, dass er ein moderater Linker ist, der jede Menge Freunde auf der Rechten hat. Er ist vom Temperament her konziliant, aber zielstrebig. »Und was fängt der Senator dann mit den Informationen an?«
»Das liegt bei ihm. Da ich sein Talent für Kompromisse kenne, würde ich vermuten, dass er sich zunächst einmal an die Regierung wenden und es auf diesem Weg versuchen wird. Er wird sich erst dann an die Presse wenden, wenn die Ob rigkeit ihm kein Ohr schenkt. Aber auf einen Punkt werde ich vorab bestehen: Dein Name als Quelle der Informationen darf nicht genannt werden. Bestimmt wird der Generalstab annehmen, dass du dahintersteckst, aber es dürfte ihnen schwerfallen, das zu beweisen.«
»Und ich? Was soll ich in der ganzen Zeit tun?«
»Nichts. Du fährst einfach nach Tunesien zurück und führst ein untadeliges Leben. Sollen sie dich doch beschatten, so lange sie wollen, sie werden nichts Unkorrektes finden. Das allein wird sie wahnsinnig machen. Kurz: Du hockst einfach in deiner Wüste, mein lieber Georges, und wartest ab, was passiert.«
•
An meinem letzten Tag in Paris, Jules ist in der Arbeit, der Koffer für die Abreise mit dem Abendzug ist gepackt, klopft es wieder an die Wohnungstür – diesmal aber sanfter und zaghaft. Ich nehme mein Buch herunter und höre, wie Anna den Besucher in die Wohnung bittet. Einen Augenblick später geht die Wohnzimmertür auf, und Pauline steht vor mir. Sie sieht mich schweigend an. Hinter ihr setzt Anna sich den Hut auf. »Ich muss kurz für eine Stunde weg«, sagt sie forsch. In einer Mischung aus Zärtlichkeit und Miss billigung fügt sie hinzu: »Aber wohlgemerkt, nur für eine Stunde.«
Wir lieben uns im Kinderzimmer unter den wachsamen Augen einer Formation Spielzeugsoldaten meines Neffen. »Und du wärst wirklich zurück nach Afrika gefahren, ohne mich vorher zu besuchen?«, sagt sie hinterher, während sie in meinen Armen liegt.
»Nicht freiwillig, mein Liebling.«
»Ohne mir auch nur eine einzige Nachricht zukommen zu lassen?«
»Ich habe Angst, dass ich dich ins Unglück stürze, wenn wir so weitermachen.«
»Das ist mir egal.«
»Es ist dir vermutlich nicht mehr egal, wenn ich dir sage, dass nicht nur du zu Schaden kommen würdest. Die Mädchen würde es genauso betreffen.«
Sie setzt sich ruckartig auf. Sie ist so entrüstet, dass sie sich nicht einmal mit einem Laken bedeckt, wie sie es sonst tut. Ihr blondes Haar ist zerzaust, und zum ersten Mal fallen mir ein paar graue Strähnen auf. Ihre Haut hat eine rosaviolette Farbe angenommen. Zwischen ihren Brüsten glänzt Schweiß. Sie sieht fantastisch aus. »Nach all den Jahren hast du kein Recht, Entscheidungen für uns beide zu treffen, ohne mir auch nur zu erzählen, was in deinem Kopf vorgeht«, sagt sie. »Und untersteh dich, die Mädchen als Ausrede vorzuschieben.«
»Liebling, warte …«
»Nein! Es reicht!«
Sie macht Anstalten aufzustehen, aber ich halte sie am Arm fest. Sie versucht sich loszureißen. Ich drücke sie aufs Bett. Ächzend windet sie sich. Aber trotz ihres Zorns ist sie schwächer, als sie aussieht, und ich kann sie leicht bändigen. »Hör zu, Pauline«, sage ich leise. »Ich rede nicht von dem üblichen Tratsch über uns. Der ist doch gang und gäbe in unserem Bekanntenkreis. Es würde mich nicht wundern, wenn Philippe schon seit Jahren etwas ahnen würde. Sogar ein Mann, der im Außenministerium arbeitet, kann nicht so blind sein, dass er das Offensichtliche übersieht.«
»Rede nicht so über ihn! Du weißt nichts über ihn!« Wehrlos auf das Bett gedrückt, schlägt sie in hilfloser Wut mit dem Hinterkopf auf das Kissen.
Ich drücke ihre Arme weiter fest nach unten. »Tratsch ist eine Sache, den kann man ignorieren. Aber ich spreche von Bloßstellung und Demütigung. Ich spreche von der Macht des
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