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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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klar, dass er ein Juwel ist. Normalerweise sitze ich andächtig da und lausche, aber heute Abend wandern meine Blicke umher. Ich beobachte die Zuschauer, die, mit Blick auf die Musiker in der Mitte des Raums, rundherum entlang den Wänden des großen Salons sitzen. Unter den etwa sechzig Gästen zähle ich ein Dutzend Uniformträger, hauptsächlich Kavalleristen wie Aimery, von denen ich die Hälfte wegen ihrer Verbindung zum Generalstab kenne. Nach einer Weile habe ich das Gefühl, dass ich selbst einige Seitenblicke auf mich ziehe: der jüngste Oberstleutnant der Armee, unverheiratet, neben ihm die attraktive Frau eines höheren Beamten aus dem Außenministerium, und nirgendwo eine Spur vom Ehemann. Als Oberstleutnant in meiner Position bei einer Affäre mit einer verheirateten Frau ertappt zu werden würde einen Skandal verursachen, der eine Karriere ruinieren kann. Ich versuche, nicht mehr daran zu denken und mich auf Musik zu konzentrieren. Aber mir ist weiter unwohl.
    In der Pause gehen Pauline und ich wieder in den Garten. Blanche hakt sich zwischen uns beiden ein. Zwei Offiziere, alte Freunde von mir, treten auf uns zu, um mir zu meiner Beförderung zu gratulieren. Ich stelle ihnen Pauline vor. »Das ist Major Albert Curé – wir waren zusammen mit Aimery in Tonkin. Madame Monnier. Und das ist Hauptmann William Lallemand de Marais …«
    »Auch bekannt als der Halbgott«, wirft Blanche ein.
    Pauline lächelt. »Warum?«
    »Zu Ehren von Loge natürlich, dem Halbgott des Feuers aus Das Rheingold . Ist die Ähnlichkeit nicht unübersehbar, meine Liebe? Diese Leidenschaft! Hauptmann Lallemand ist der Halbgott, und Georges ist der gute Gott.«
    »Leider kann ich bei Wagner nicht mitreden.«
    Lallemand, der eifrigste Musikschüler in unserem Kreis, spielt den ungläubig Schockierten. »Kann ich bei Wagner nicht mitreden! Oberstleutnant Picquart, Sie müssen mit Madame Monnier nach Bayreuth fahren!«
    Für meinen Geschmack etwas zu spitz meldet sich Curé zu Wort. »Und Monsieur Monnier, liebt er die Oper?«
    »Unglücklicherweise mag mein Mann überhaupt keine Musik.«
    Nachdem sie gegangen sind, wendet sich Pauline mit leiser Stimme an mich. »Ist es dir lieber, wenn ich gehe?«
    »Nein, warum denn?« Wir trinken Orangeade. Der große Gestank hat sich in den letzten ein, zwei Tagen verzogen. Der warme Wind aus Faubourg Saint-Germain schmeckt nach dem Blütenduft eines Sommerabends.
    »Du scheinst dich in deiner Haut nicht recht wohlzufühlen.«
    »Mir war nur neu, dass du und Blanche euch kennt, das ist alles.«
    »Isabelle hat mich vor vier Wochen zum Tee bei Alix Tocnaye mitgenommen, da war sie auch dabei.«
    »Und wo ist Philippe?«
    »Er ist heute Abend nicht in Paris. Er kommt erst morgen zurück.«
    Die Andeutung, das Angebot, hängt unausgesprochen in der Luft.
    »Und die Mädchen?« Paulines Töchter sind zehn und sieben. »Musst du nicht nach Hause?«
    »Sie sind bei Philippes Schwester.«
    »Tja, dann weiß ich ja jetzt, was Blanche mit ihrer netten kleinen Überraschung gemeint hat.« Ich weiß nicht, ob ich belustigt oder verärgert sein soll. »Warum hast du sie ins Vertrauen gezogen?«
    »Das habe ich nicht. Ich dachte, du hättest es ihr erzählt.«
    »Habe ich nicht.«
    »So wie sie sich ausgedrückt hat – ich habe einfach angenommen, dass sie Bescheid weiß. Nur deshalb habe ich ihr erlaubt, dass sie das heute Abend arrangiert.« Wir schauen uns an. Und dann sagt sie, nach einer für mich viel zu schnellen intuitiven oder deduktiven Überlegung: »Blanche ist in dich verliebt.«
    Ich lache erschrocken. »Nein, bestimmt nicht.«
    »Dann hattet ihr zumindest mal eine Affäre, richtig?«
    Ich lüge. Was sonst kann ein Gentleman in einer solchen Situation tun. »Pauline, mein Liebling, sie ist fünfzehn Jahre jünger als ich! Ich bin wie ein älterer Bruder für sie.«
    »Aber sie beobachtet dich die ganze Zeit. Sie ist besessen von dir, und das mit uns hat sie einfach gespürt.«
    »Wenn Blanche in mich verliebt wäre, dann hätte sie wohl kaum dieses Schäferstündchen für uns arrangiert!«, sage ich leise.
    Pauline lächelt und schüttelt den Kopf. »Genau deshalb hat sie es getan! Wenn sie dich schon nicht haben kann, dann will sie wenigstens Einfluss darauf nehmen, wer dich kriegt.«
    Unwillkürlich schauen wir uns um, ob uns auch niemand beobachtet. Ein Diener geht herum und teilt den Gästen im Flüsterton mit, dass das Konzert gleich weitergehe. Der Garten leert sich. Ein

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