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Intrige (German Edition)

Intrige (German Edition)

Titel: Intrige (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Wie so oft hat Auguste nicht jeden Fetzen des Briefs erwischt: Wörter fehlen, manchmal sogar halbe Sätze. Während ich lese, beobachtet Lauth mich.
    Durch die Concierge auszuhändigen.
    Sehr geehrter Herr,
    ich bedauere es, nicht persönlich mit Ihnen sprechen zu können … über eine Angelegenheit, die … Mein Vater hat lediglich … nötigen Mittel, um die Arbeit fortzusetzen … unter den vereinbarten Bedingungen … werde ich Ihnen seine Gründe erläutern, muss Ihnen aber vorab ohne Umschweife sagen … Ihre Bedingungen mir zu hart erscheinen und … die Ergebnisse, die … dieser Reise. Er schlägt mir vor … betreffende Reise möglicherweise … meine Beziehungen … ihm bislang jenseits aller Verhältnismäßigkeit … die ich auf diese Reise verwendet habe. Der Punkt ist … sobald als möglich persönlich mit Ihnen zu sprechen.
    Ich sende Ihnen hiermit die Skizzen zurück, die ich neulich von Ihnen erhalten habe. Es sind nicht die letzten. C.
    Ich lese das Schriftstück noch mehrere Male durch. Trotz Lücken ist der Sinn klar. Esterházy hat den Deutschen Informationen geliefert, darunter Skizzen, für die er von Schwartzkoppen bezahlt wurde. Der »Vater« des deutschen Attachés, vermutlich eine Umschreibung für irgendeinen General in Berlin, beschwert sich jetzt darüber, dass der Preis angesichts des Werts der erhaltenen Informationen zu hoch sei.
    »Das könnte natürlich eine Falle sein«, sagt Lauth.
    »Ja.« Daran habe ich auch schon gedacht. »Wenn Schwartzkoppen entdeckt hat, dass wir seine Abfälle lesen, könnte er durchaus den Entschluss gefasst haben, dieses Wissen gegen uns einzusetzen. Er wirft getürktes Material in seinen Papierkorb und lockt uns so auf eine falsche Fährte.«
    Ich schließe die Augen und versuche, mich in seine Lage zu versetzen. Es kommt mir unwahrscheinlich vor, dass ein Mann, der sich bei seinen Liebesaffären so leichtsinnig verhält und im Umgang mit seinen Schriftstücken so schlampig ist, plötzlich so verschlagen sein sollte.
    »Verspricht er sich wirklich etwas davon, sich so viel Mühe zu machen?«, überlege ich laut. »Wenn man be denkt, wie heftig die Deutschen reagiert haben, nachdem wir Dreyfus als ihren Agenten enttarnt haben? Warum sollte Schwartzkoppen noch so einen peinlichen Spionageskandal riskieren?«
    »Natürlich taugt nichts von dem hier als Beweismittel, Herr Oberstleutnant«, sagt Lauth. »Wir könnten weder dieses Schriftstück noch das Petit Bleu als Vorwand benutzen, um Esterházy zu verhaften. Schließlich ist keines von beiden abgeschickt worden.«
    »Richtig.« Ich öffne den Tresor und nehme die Aktenmappe heraus. Ich lege den Entwurf des Briefes zu dem Petit Bleu. Auf das Deckblatt schreibe ich Esterházy. Das, überlege ich, ist das Paradoxe an der Welt der Spione. Diese Schriftstücke sind nur dann von Bedeutung, wenn man weiß, woher sie stammen. Und da genau das, nämlich woher sie kommen, niemals enthüllt werden kann, weil das die Tarnung des eigenen Agenten auffliegen lassen würde, sind sie juristisch wertlos. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich sie dem Kriegsminister oder dem Chef des Generalstabs zeigen soll. Möglicherweise bekommt sie dann einer ihrer untergebenen Offiziere zu Gesicht und fängt an zu tratschen: Es ist zu offensichtlich, dass sie aus Abfällen rekonstruiert sind. Ich nehme das Petit Bleu wieder aus der Mappe. »Gibt es eine Möglichkeit, davon eine Fotografie machen zu lassen, auf der man die Risse nicht sehen kann? Dass es so aus sieht, als wäre es wie bei dem Dreyfus-Schriftstück eine ganz normal abgefangene Postsendung?«
    »Vielleicht«, sagt Lauth skeptisch. »Aber der Dreyfus-Brief bestand nur aus sechs Einzelteilen, das hier besteht aus etwa vierzig Teilen. Und selbst wenn ich es hinkriegen würde, die Seite mit der Adresse, der die entscheidende Beweiskraft zukommt, ist nicht frankiert. Wenn sich das einer genauer anschaut, merkt er sofort, dass es nie abgeschickt wurde.«
    »Vielleicht könnten wir es frankieren?«
    »Keine Ahnung, ob das machbar ist.« Lauth schaut jetzt noch skeptischer.
    Ich beschließe, das Thema erst einmal fallen zu lassen. »Also gut«, sage ich. »Die Existenz dieser beiden Schriftstücke bleibt fürs Erste unter uns. In der Zwischenzeit versuchen wir mehr über Esterházy herauszubekommen, vielleicht kön nen wir ja noch andere Beweise gegen ihn ausgraben.«
    Ich spüre, dass Lauth noch etwas anderes umtreibt. Er runzelt die Stirn, er kaut auf der Unterlippe.

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