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Intruder 1

Intruder 1

Titel: Intruder 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch einmal. »Du bist nicht wirklich. Du hast keine Macht über mich.«
    Du bist ein Dummkopf, weißer Mann. Ich mag keine Dummköpfe. Du beginnst mich zu langweilen.
    Auch diese Worte waren nicht real, redete Mike sich ein, so wenig wie die ganze Gestalt! Nichts hier war wirklich da, vielleicht nicht einmal die Hütte selbst. Er selbst war nicht hier, weder an diesem Ort, noch in dieser Zeit; er war zurückgereist in die Vergangenheit, war ein Kind, vier oder fünf Jahre alt, vielleicht noch jünger, das allein im Dunkeln saß und Angst hatte, Angst vor der Dunkelheit, Angst vor den Ungeheuern, die sich darin verbergen mochten, Angst vor dem Alleinsein.
    Angst war immer das stärkste Gefühl in seinem Leben gewesen; vielleicht das Einzige, das er jemals wirklich empfunden hatte. Angst hatte ihn durch jeden einzelnen Tag seines Lebens begleitet. Aus der Angst des Kindes vor dem Alleinsein und der Dunkelheit war die Angst des Jugendlichen vor dem Verprügeltwerden und dem Spott seiner Klassenkameraden geworden, später hatte sie sich in die Furcht vor dem Zurückgewiesenwerden gewandelt, vor dem Versagen allgemein, vor Frauen und Freunden, vor Enttäuschung und davor, Fehler zu machen.
    Und schließlich war da die schlimmste aller Ängste überhaupt: die Angst vor der Angst. Mike war ein Feigling, ein Mann, der die Furcht kannte wie vielleicht kein anderer. Er war in seinem Leben gescheitert, bei Frauen, im Beruf und bei Freunden, und jedes Scheitern hatte denselben Grund gehabt: Angst.
    Irgendwann einmal hatte er angefangen, gegen sie zu kämpfen, und er hatte geglaubt, sie besiegt zu haben, oder wenigstens gebändigt.
    Er hatte sie in Ketten aus Worten gebunden, sie in Gefängnisse aus Papier verbannt und zwischen Buchdeckeln eingesperrt, und er hatte geglaubt, sie fast zu so etwas wie einem finsteren Verbündeten gemacht zu haben. Fast alle seine Bücher handelten von ihr, und er war sich stets darüber im Kla-ren gewesen, dass er ihr einen Großteil seines Erfolges zu verdanken hatte, wenn nicht sogar alles. Aber er hatte geglaubt, den Preis dafür bereits bezahlt zu haben, mit einem Leben voller Furcht, voller unsicherer Blicke, quälender Gedanken und schweißfeuchter Handflächen.
    Es war ein Irrtum gewesen. Die Angst hatte sich aus ihrem Gefängnis befreit und stand nun vor ihm, um ihm die Rechnung zu präsentieren.
    Aber so leicht würde er nicht aufgeben. Nicht jetzt. Nicht nach all dieser Zeit. Nicht, nachdem er so viel erreicht hatte.
    Was soll ich jetzt mit dir tun, weißer Mann?, fragte die Furcht, die die Gestalt eines fünfjährigen Indianerjungen angenommen hatte.
    Ich könnte dich auslöschen, aber das wäre zu leicht für dich.
    Oder ich könnte dich leiden lassen. Aber ich weiß nicht, ob du der Mühe wert bist.
    »Du kannst mir gar nichts tun «, murmelte Mike. Plötzlich war er ganz ruhig. Seine Hände schmerzten grässlich, aber mit jeder Welle dumpfer Pein, die von seinen Handflächen ausgehend im Takt seines Herzschlages durch seinen ganzen Körper schossen, wuchsen seine Entschlossenheit und seine Kraft. Dies hier war die finale Schlacht. Er begriff, dass er sich auf schreckliche Weise geirrt hatte. Sein alter Feind war niemals besiegt gewesen, nicht einmal gebändigt. Die Angst hatte nur gewartet, geduldig wie ein lauerndes Raubtier, das seine Beute beschleicht und auf einen günstigen Moment wartet, um sie zu schlagen.
    Und nun war dieser Moment gekommen. Mike begriff mit einer sonderbar ruhigen Art von Entsetzen, dass es nun keinen Ausweg mehr gab, kein Zögern, keine Ausflüchte und Lügen, niemanden mehr, den er vorschicken konnte. Es gab nur noch ihn und das Ding mit den grün leuchtenden Augen, das gekommen war, um ihn zu vernichten.
    »Du kannst mich nicht besiegen«, murmelte er. »Töte mich, wenn du willst. Aber das ist alles, was du mir antun kannst. Ich habe keine Angst mehr vor dir.«
    Und das war die Wahrheit, auch wenn Mike es erst in dem Moment begriff, in dem er die Worte aussprach. Das Ding starrte ihn aus seinen unheimlichen, grün lodernden Augen an, und Mike spürte plötzlich die Wut, die es erfüllte, einen grenzenlosen, vernichtenden und trotzdem hilflosen Zorn, der im gleichen Maße schlimmer wurde, in dem es begriff, dass es ihm tatsächlich nichts mehr anhaben konnte.
    »Verschwinde«, sagte er.
    »Bring mich um - oder verschwinde.«
    Das Ding stieß einen zischelnden Laut aus und schlug mit einer Hand nach ihm, die zur Kralle geformt war. Es traf ihn nicht. Seine

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