Intruder 1
dem Impuls, noch einmal zum Rand der Schlucht hinaufzublicken.
Er fürchtete sich zu sehr vor dem, was er dort sehen könnte.
Der Aufstieg zum Wald hinauf kostete ihn den Rest seiner Kraft, sodass er sich einen Moment setzen musste, um auszuruhen; ein zwar vernünftiger Entschluss, der aber nicht unbedingt dazu angetan war, Franks Sorge zu dämpfen.
»Bist du auch wirklich in Ordnung?«, fragte er, nachdem er schwer atmend hinter ihm die Felsentreppe erklommen hatte.
Sein Gesicht war schweißbedeckt. Auch er begann allmählich an seine Grenzen zu stoßen.
»Ja«, antwortete Mike. »Ich brauche nur einen Moment Ruhe.
Geht schon weiter und seht euch das Dorf an. Ich rauche eine Zigarette und komme dann nach.«
»Klasse Idee, um wieder zu Atem zu kommen«, sagte Frank sarkastisch. »Aber du musst ja wissen, was du tust. Ruf einfach, wenn du Hilfe brauchst.«
Mike musste sich beherrschen, um nicht etwas Unhöfliches zu sagen. Franks Sorge war echt, aber gerade das war es ja, was ihn wütend machte. Verdammt, er war alt genug, um auf sich selbst aufzupassen!
Statt zu antworten, zog er die Packung aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch schmeckte so, wie er eigentlich immer schmeckte, wenn er ehrlich war: schal und ein ganz kleines bisschen nach der Krankheit, die er mit sich bringen konnte. Mike nahm wie zum Trotz noch einen zweiten, tieferen Zug, hustete den Rauch aus und hätte die Zigarette um ein Haar angeekelt weggeworfen.
Stattdessen zwang er sich, sie bis zu Ende zu rauchen. Er brauchte wirklich einen Moment, um wieder neue Kraft zu schöpfen. Außerdem wäre er sich albern vorgekommen, Stefan und Frank schon nach ein paar Augenblicken nachzurennen; wie ein kleiner Junge, den seine Freunde allein im Wald zurückgelassen hatten und der es nun mit der Angst zu tun bekam.
Er achtete sorgsam darauf, dass keine Funken oder glühende Asche zu Boden fielen und die trockenen Tannennadeln entzündeten, denn er hatte keine Lust, einen Waldbrand auszulösen. Erst dann drückte er die Zigarette im Deckel der Packung aus, steckte die Kippe in die Jackentasche und überzeugte sich davon, dass nirgendwo etwas schwelte, ehe er Stefan und Frank folgte.
Nachdem er die Weggabelung hinter sich gebracht hatte, waren es nur noch ein paar Dutzend Schritte, und als er die kleinere Lichtung erreichte, auf der die Siedlung lag, war er im ersten Moment fast enttäuscht.
Es gab keine Zelte aus Büffelhaut, keine Lagerfeuer und Totempfähle, sondern nur eine Handvoll kleinerer und zwei etwas größere Kuppelbauten, so genannte Hogans, die jenem unten auf der Flussinsel ähnelten, nur dass diese hier aus Ästen und Laub bestanden. Selbst die beiden großen waren so niedrig, dass man nur gebückt darin stehen konnte. In den anderen konnte man sich vermutlich nur auf Händen und Knien fortbewegen.
Stefan stand mit verschränkten Armen vor einem Baum auf der anderen Seite der Lichtung, der ihm nicht einmal ganz bis zur Brust reichte, und Frank kam in genau diesem Moment tatsächlich auf Händen und Knien aus einer der Hütten herausgekrochen und machte noch im Aufstehen ein weiteres Bild. Mike warf erneut einen Blick auf Stefan, der noch immer reglos dastand und den Baum anstarrte (was machte er da eigentlich, zum Teufel noch mal?); dann ging er zu Frank hinüber.
»Das ist ja großartig«, sagte Frank. »Der Ausflug hat sich ja wirklich gelohnt.«
»Disneyland wäre bequemer gewesen.«
»Disneyland?«
»Das hier ist doch alles falsch«, behauptete Mike. »Oder glaubst du wirklich, dass diese Hütten fünfhundert Jahre alt sind?«
Frank verdrehte die Augen. »Natürlich haben sie sie nachgebaut«, sagte er. »Aber an Originalplätzen und so naturgetreu wie möglich und mit den alten Techniken und Materialien. Ich weiß, dass du für so etwas keine Antenne hast, aber ich finde es faszinierend. Dieser Ort hat etwas ...
Mystisches.«
Keine Antenne? Mike hatte ungefähr ein Dutzend Antennen mehr in dieser Richtung, als ihm lieb war. Allerdings hätte er anstelle von mystisch ein etwas anderes Wort gewählt.
Als er keine Antwort bekam, wechselte Frank das Thema.
»Fühlst du dich besser?«
»Bombig«, log Mike. »Die Pause hat mir gut getan - aber wir können gerne noch ein paar Minuten bleiben, falls du noch ein paar Aufnahmen machen willst.«
»Zehn Minuten?«, fragte Frank.
»Kein Problem«, antwortete Mike. »Zeit genug, um noch eine zu rauchen. Oder zwei.«
Frank nickte nur knapp und verschwand mit
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