Intruder 1
Wut erfüllte den Hogan mit knisternder elektrischer Energie, und seine Augen loderten wie winzige, grelle Sonnen. Aber Mike begriff - plötzlich und mit einer Klarheit jenseits aller Zweifel -, dass es vorbei war. Das Ungeheuer hatte seine Macht über ihn verloren. Sein Fauchen und Schlagen war nur noch ein Rückzugsgefecht, die Drohgebärden einer Wildkatze, die von einem überlegenen Feind in die Enge gedrängt worden war.
Es war vorbei.
Er hatte gewonnen.
Mike stand auf, öffnete endlich seine Fäuste und stöhnte vor Schmerz, als die Qual für einen Moment noch schlimmer wurde, ehe sie fast ganz erlosch. Seine Gedanken waren mit einem Male von einer seltenen, fast gläsern anmutenden Klarheit. Er zitterte nicht mehr, und sein Herz schlug ganz ruhig. Vielleicht zum ersten Mal in seinem ganzen Leben hatte er das Gefühl, wirklich frei durchatmen zu können.
Das Ding tobte. Es spuckte und fauchte vor Wut, schlug immer wieder mit den Klauen nach ihm oder täuschte einen Angriff vor, wagte es aber nicht, ihn wirklich zu berühren. Es hatte endgültig seine Macht über ihn verloren.
Ruhig und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, richtete sich Mike auf, drehte sich um und trat mitten durch die Erscheinung hindurch und aus der Hütte hinaus.
Seine Hände waren nicht annähernd so schlimm verletzt, wie er geglaubt hatte. Der grausame Schmerz war zu einem allenfalls noch lästigen Brennen herabgesunken, und als er die Hände vor das Gesicht hob, konnte er nur ein paar winzige, halbmondförmige Kratzer in seinen Handballen entdecken, die er vermutlich schon morgen nicht mehr spüren würde - und die übrigens auch weitaus weniger heftig geblutet hatten, als es den Anschein gehabt hatte.
Mike wischte die wenigen Tropfen kurzerhand an der Hose ab, kramte nach seinen Zigaretten und sah sich suchend nach den beiden anderen um, während er sein Feuerzeug aufschnappen ließ. Frank kam gemächlich über den Platz auf ihn zugeschlendert. Er schien für heute genug Beute gemacht zu haben, denn er hatte den Fotoapparat wieder weggesteckt und trug einen äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck zur Schau.
»Du solltest hier besser nicht rauchen«, sagte er, allerdings in einem eher resignierenden als tadelnden Tonfall.
»Wieso?«, fragte Mike. Er nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch provozierend in Franks Richtung und fuhr mit einem breiten Grinsen fort: »Hast du Angst, dass ich die Geister der Ahnen gegen mich aufbringe? Ich glaube nicht, dass sie etwas dagegen haben. Immerhin ist das Tabakrauchen ein Geschenk der Indianer an uns.«
»Ich dachte eher daran, dass hier alles zundertrocken ist«, antwortete Frank. »Ein Funke am falschen Platz, und wusch.«
Er runzelte die Stirn. »Was ist mit deiner Hand passiert? Du blutest ja.«
»Nur ein Kratzer«, sagte Mike. »Keine Angst, ich passe schon auf, dass dieser Disneyland-Verschnitt nicht in Flammen aufgeht. Nicht, dass uns am Ende doch noch Manitus Rache trifft.«
Für ein oder zwei Sekunden erlosch das Lächeln in Franks Augen. »Bitte sprich nicht so«, sagte er ernst. »Das hier ist ein heiliger Ort. Vielleicht nicht für uns, aber für die Menschen, die hier gelebt haben. Ich finde, man sollte das respektieren.«
Mike setzte zu einer spöttischen Antwort an, aber dann wurde ihm klar, dass er Frank damit verletzt hätte. Er schwieg. Nicht aus Scheu vor den Geistern dieses Ortes, sondern weil er Franks Gefühle respektierte.
»Ich passe auf«, sagte er. »Keine Angst. Außerdem wird es sowieso Zeit für uns. Wo ist Stefan?«
Frank grinste. »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, ist er auf dem Bauch über den Boden gekrochen und hat komische Geräusche von sich gegeben. Ich schätze, er sucht einen Baum, der in seine Satteltaschen passt.«
Sie lachten beide. Stefan und seine Vorliebe für Bäume - vor allem möglichst kleine Bäume - waren schon mehr als einmal Anlass für gutmütige Spottattacken gewesen. Mike hatte nie verstanden, wie sich ein erwachsener Mann für die Zucht von Bonsais begeistern konnte. Seiner Meinung nach handelte es sich dabei einfach um verkrüppelte Pflanzen, die in der freien Natur aus gutem Grund kaum vorkamen.
»Suchen wir ihn«, schlug er vor. »Bevor er noch etwas tut, was wir mehr bedauern als er.«
Es war kein großes Problem, Stefan zu finden. Frank hatte nicht übertrieben - Stefan hockte tatsächlich auf Händen und Knien am Boden und bewunderte mit leuchtenden Augen etwas, das wie eine Eiche aussah, aber kaum größer als
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