Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intruder 3

Intruder 3

Titel: Intruder 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
habe die Regeln nicht geändert, weißer Mann. Du hast sie nicht verstanden. Aber das wirst du schon noch. Bald.
    Mike begann leise zu wimmern. Er wollte schreien, doch alles, was über seine Lippen kam, war ein fast komisch klingendes Quietschen. Er zitterte jetzt am ganzen Leib. Wie 89
    zur Antwort auf sein Wimmern hob der Harley-Mann die rechte Hand und winkte ihm zu. Sie hatte keine Finger mehr, nur vier gleich lange, wie mit einem Laserskalpell abgeschnit-tene glatte Stümpfe, aus denen schwarzes Blut im hämmernden Takt seines Pulsschlages schoss.
    Und da war noch etwas. Es war wie ein Sog, hin zu der schrecklichen Kehrseite von allem Lebendigen, allem Guten, allem Schönen auf dieser Welt. Es war ein braunstichiges Bild, das vor ihm flackerte und doch gleichzeitig überall um ihn herum war, ihn im festen Würgegriff umklammerte, ihn einsog in eine Szenerie, die er kannte, kannte, KANNTE ...
    Mike hätte die Hände vors Gesicht geschlagen, wenn er es vermocht hätte. Aber er war zu keiner Bewegung mehr fähig.
    Er wusste nur, dass er jetzt tatsächlich die Grenze zum Wahnsinn überschritt, ganz egal, ob die Vision aus ihm selbst aufstieg oder von irgendwo anders herkam, herangeweht durch den Odem von etwas Großem, Mächtigen, gegen das es keinen Widerstand geben konnte. Voll dumpfer Verzweifelung nahm er den Geruch in sich auf, der vom Feuer im Hogan aus ging und von diesem uralten, dumpf im Leerlauf hämmernden Motorrad mit dem grotesk kleinen Tank und dem altmodischen Harley-Schriftzug.
    Es war nicht mehr länger der Harley-Davidson-Verkäufer, den er sah. Der grobschlächtige Kerl, der jetzt gerade lässig auf die Maschine stieg, musste sein Vater oder sogar sein Großvater sein. Es war der Mann aus dem spinnenwebenverhangenem Bild in dem Geschäft, das vielleicht viele Jahrzehnte dort unbeachtet gehangen hatte, bis es Mike auf sich aufmerksam gemacht hatte, um ihm zu zeigen, wie und wo der Albtraum vor unendlichen Zeiten begonnen hatte ...
    Es war jetzt nicht mehr länger nur ein Foto. Mike war auch kein Beobachter mehr, nicht im eigentlichen Sinne. Er rutschte ein Stück nach rechts (oder wanderte die Szene nach links?), sodass er den Eingang des Hogans sehen konnte - und den 90
    Indianerjungen, der dort im Inneren am Feuer hockte und es in Gang hielt.
    Harley-Davidsons Vorfahre hatte die Maschine mittlerweile gestartet, gewendet und brauste jetzt aus der Szene davon.
    Mike verstand nicht. Sollte er den Hogan im Auge behalten, weil dort gleich etwas Unvorstellbares geschah?
    In der nächsten Sekunde begriff er. Der Junge erhob sich, fast lässig, aber auch mit der leicht unkontrollierten Bewegung, wie sie geistig Behinderten zu Eigen ist, drehte sich einmal um die Achse - und blickte ihn direkt an. Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln, und von seinem Kinn tropfte Speichel.
    Er war es. Der Junge aus dem Van, der ihn bereits bei ihrer ersten zufälligen Begegnung ve rspottet hatte. Der über Mikes weiße Hose mit dem Kaffeefleck gelacht hatte. Aber vielleicht hatte der Junge gar nicht darüber gelacht. Vielleicht hatte sich sein Spott auf etwas ganz anderes bezogen, vielleicht auf genau diesen Moment jetzt. Und vielleicht war es auch nicht wirklich derselbe Junge, sondern nur sein Ebenbild aus einer anderen Epoche.
    Dann ging alles ganz schnell. Harley-Davidsons Vorfahre brauste von rechts heran, der Junge trat vollends aus dem Hogan, altertümliche Bremsen quietschten, das Kind wurde vom Vorderrad getroffen und durch die Luft geschleudert und schlug erst viele Meter weiter entfernt auf dem harten Boden auf, in merkwürdig verkrümmter Haltung. Mike wusste, dass der Junge im selben Augenblick tot war ...
    ... tot gewesen war, vor langer, langer Zeit.
    Gleichzeitig riss der braunstichige Schleier um ihn herum auf, und mit der grauenhaften Unfall-Szenerie wich auch der Geruch verschmorter Bremsbeläge und der im Feuer des Hogans knisternder Zweige und Ingredienzen.
    Aber damit war es noch lange nicht vorbei. Mike befand sich noch immer genau dort, wo er vorher gewesen war, in diesem 91
    Traum, der keiner war.
    Du hast vollkommen Recht, weißer Mann. Das ist kein Traum. Das ist der Anfang und das Ende. Du bist dazu berufen, an dem teilzuhaben, weil du sehen kannst, weil du die alten Kräfte gerufen hast, um ihren Beistand gefleht hast, so viele Male.
    Mike verstand nicht. Er hatte keine alten Kräfte gerufen, er war nichts weiter als ein Schriftsteller, der sich verrückte Geschichten um

Weitere Kostenlose Bücher