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Intruder 3

Intruder 3

Titel: Intruder 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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durchgeknallte Typen ausdachte ...
    Du flehst um schuldige Gedanken und willst sie jetzt nicht mehr wahrhaben ? Du reißt immer wieder die Tür zum Wahnsinn auf, Schreiberling, und schreist jetzt doch nach dem, was du Normalität nennst?
    Die Lippen des Häuptlings verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. Mike sah und begriff, dass er wieder in den Sog des Schwarz-Weiß-Fotos gezogen worden war, in der die jüngere und auf schreckliche Weise skalpierte Ausgabe des Harley-Davidson-Verkäufers auf der Electra Glide saß, eingerahmt von den beiden Indianern, auf deren nackten Oberkörpern die barbarische Kriegsbemalung prangte. Er hätte die Hände vor die Augen geschlagen, um diesem Bild zu entkommen, wenn er es vermocht hätte - aber er war gefangen in einer Agonie des Grauens, die ihn dazu verdammte, tatenlos zuzusehen, was vor ihm geschah.
    Die Harley erwachte grollend zum Leben. Eine rasche, wellenförmige Bewegung lief über die Maschine, als versuche nun auch sie zu furchtbarem, unnatürlichem Leben zu erwachen. Auch das Gesicht des jüngeren Indianers begann sich zu verändern. Es war nun das des Indianers aus dem Van. Er winkte mit etwas, das wie ein alter Lappen aussah, genauso gut aber auch ein blutiger Skalp sein konnte.
    Mike zitterte immer stärker. Er hatte es aufgegeben, schreien zu wollen. Er konnte auch nicht davonlaufen, konnte sich nicht einmal mehr bewegen, war buchstäblich gelähmt vor Entset-92
    zen. Und das Wissen, dass nichts von alledem real war, nutzte ihm gar nichts. Plötzlich begriff er, dass dieser Traum ihn töten würde, wenn es ihm nicht gelang, daraus zu erwachen. Frank und Stefan würden ihn am nächsten Morgen tot auf der Couch finden, einem Herzschlag erlegen, oder bestenfalls als schrei-endes Wrack, das den Rest seines Lebens in einer Gummizelle verbrachte, ohne die mindeste Chance, jemals wieder in die Realität zurückzukehren.
    Doch genau das musste er tun! Er musste aufwachen, ganz egal, wie.
    Mit einer ungeheuren Willensanstrengung gelang es ihm, die Lähmung abzustreifen und einen Schritt zurückzutaumeln. Das Gesicht des Harley-Mannes flackerte, und für einen Moment schien er mitsamt seiner Maschine zu verblassen wie ein Fernsehbild, aus dem allmählich die Helligkeit wich. Im nächsten Moment wurde das Bild umso realer. Es hatte jetzt Farbe, und Mike roch den süßlichen Blutgeruch, der von der entblößten Schädeldecke des Fettsacks ausging.
    Verzweifelt warf er sich gegen die unsichtbaren Fesseln, die ihn immer noch hielten, sich aber ganz allmählich zu lockern schienen. Seine Kraft reichte nicht aus. Die Harley rollte langsam auf ihn zu, nur dass es jetzt keine Harley mehr war, überhaupt kein Motorrad, sondern etwas Lebendiges, ein grässliches Ding auf Rädern, mit Zähnen und Krallen und einem schrecklichen roten Auge, das düsterrot und nass schimmerte, als wäre es genau so gehäutet worden wie sein Fahrer.
    Er musste aufwachen! Jetzt!
    Mike schrie auf, riss die Hände in die Höhe und schlug sich die geballten Fäuste ins Gesicht. Er spürte, wie seine Unterlippe aufplatzte und Blut aus seiner Nase lief, aber der Harley-Mann und der Rest des furchtbaren Bildes flackerten erneut; diesmal stärker.
    Der Fettsack schüttelte zornig seine verstümmelte Hand, die 93
    schwarzes Blut in alle Richtungen verspritzte, und der Indianer wedelte mit dem erbeuteten Skalp, sah aber eher erschrocken als drohend aus.
    Mike schlug sich noch einmal ins Gesicht. Diesmal war der Schmerz so schlimm, dass er fast das Bewusstsein verloren hätte und langsam in die Knie brach. Aber es zeigte seine Wirkung: Als sich die wirbelnden Schleier vor Mikes Augen lichteten, waren der Harley-Mann und der Indianerhäuptling zu kaum noch sichtbaren Schemen verblasst; nur der jüngere Indianer hatte sonderbarerweise noch Substanz, schwenkte jedoch keinen blutigen Skalp mehr in der Hand. Er kam näher, und Mike ballte stöhnend die Faust, um noch einmal zuzuschlagen, hatte aber nicht mehr die Kraft dazu. Stattdessen sank er nach vorne, stützte sich im letzten Moment mit den Händen ab, um nicht vollends zu Boden zu gehen, und schloss stöhnend die Augen. Alles drehte sich um ihn. Die Schwärze hinter seinen geschlossenen Lidern sperrte die furchtbaren Bilder nicht aus, sondern schien sie im Gegenteil noch zu einer höheren Qualität zu erheben.
    Mike raffte noch einmal alle verbliebene Kraft zusammen und zwang sich, die Augen zu öffnen.
    Es war vorbei.
    Die Dunkelheit vor ihm war Dunkelheit,

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