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Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sah er aus diesem Grund den Mann beinahe zu spät.
    Er stand unmittelbar neben der Ausfahrt, so dicht, dass sie ihn fast gestreift hätten. Mike sah ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde und nur aus den Augenwinkeln: kaum mehr als ein Schemen.
    Trotzdem erkannte er ihn so deutlich, dass er vor Schrecken aufschrie.
    Es war ein uralter, gebeugter Indianer mit schulterlangem weißem Haar und einem von Falten zerfurchten, schmalen Gesicht, in dem die Augen das einzig Lebendige zu sein schienen. Augen, die Mike voller Bosheit und höhnischem Triumph anstarrten.
    Es war der Wendigo, nicht der Schamane. Mike war sich dessen ganz sicher.
    »Was haben Sie?«, fragte Jennings.
    Mike versuchte sich auf dem Rücksitz herumzudrehen, was aber mit auf dem Rücken gefesselten Händen gar nicht so einfach war. Sein Blick suchte den Anasazi-Dämonen. Er stand da: eine schmale Gestalt, die zwischen all den anderen kaum auffiel und schon im nächsten Moment verschwunden war wie ein Spuk. Aber Mike hatte ihn gesehen. Er hatte ihn gesehen.
    »Bitte, reißen Sie sich zusammen«, sagte Jennings kühl.
    »Der Wendigo«, stammelte Mike. »Er war es! Sie müssen ihn gesehen haben. Sie müssen ihn doch gesehen haben!«
    »Das nutzt Ihnen nichts«, beharrte Jennings. »Sie können dort hinten toben, so lange sie wollen. Aber Sie machen es damit für sich nicht einfacher.«
    Mike drehte sich wieder um und starrte Jennings verzweifelt an. »Verstehen Sie denn nicht? Er war es! Er ist hier. Das ist alles sein Werk.«
    Jennings runzelte die Stirn. Er sah nicht wirklich interessiert aus. »Ich fürchte, ich verstehe Sie wirklich nicht«, sagte er.
    »Jetzt reißen Sie sich zusammen, oder ich sorge dafür, dass Sie still sind.«
    Es war nicht die unverhohlene Drohung in seinen Worten, die Mike tatsächlich zum Schweigen brachte. Es war das schiere Entsetzen, mit dem ihn der Anblick des Wendigo erfüllt hatte.
    Was war los mit ihm? Verlor er jetzt endgültig den Verstand?
    »Alles wieder in Ordnung?«, fragte Jennings.
    Mühsam hob Mike den Kopf und sah den farbigen Detective an. In Ordnung? Er hätte fast gelacht. Sein Leben würde nie wieder in Ordnung sein, ganz egal, wie diese Geschichte hier ausging.
    »Ich ... es geht schon«, murmelte er.
    Jennings nickte, und damit war die Sache für ihn erledigt.
    Nicht so für Mike. Der Wendigo war wieder da! Er hatte ihn gesehen. Es gab keinen Zweifel. Er würde diesen brennenden, alles durchdringenden Blick nie vergessen, den Odem des Bösen, das alles Lebendige, Denkende und Fühlende hasste.
    Der uralte Dämon war hier. In dieser Stadt, ganz in der Nähe, so, wie er vermutlich die ganze Zeit über in Mikes Nähe gewesen war. Hatte er wirklich geglaubt, den Kampf gewonnen zu haben? Lächerlich!
    Sie fuhren gut ze hn Minuten mit heulender Sirene und in halsbrecherischem Tempo durch den dichten Nachmittagsver-kehr, bevor sie das Polizeipräsidium erreichten. Es war ein alter, wuchtiger Backsteinbau, der die größtenteils eingeschos-sigen Gebäude ringsum auf fast Furcht einflößende Art und Weise überragte: ein gemauertes Monument der Autorität. Ein halbes Dutzend Streifenwagen parkte schräg vor dem Gebäude, und aus einem davon stieg genau in diesem Moment Frank aus.
    Seine Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt. Er ging nach vorne gebeugt und verkrampft, als wäre er nicht in der Lage, sich ganz aufzurichten. Vielleicht hatte man ihn geschlagen. Es gelang Mike nicht, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen. Frank verschwand zusammen mit seinen beiden Bewachern im Inneren des Gebäudes, bevor Mike ausgestiegen war.
    Jennings und der Streifenpolizist führten ihn eine schmale, fensterlose Treppe in den Keller hinab, wo sich die Arrestzellen befanden. Mike hatte Zellen im wortwörtlichen Sinne erwartet: einen langen Gang voller vergitterter Türen, hinter denen die Gefangenen ein ungewisses Schicksal erwartete, wie die Gladiatoren im alten Rom, die zu ihrem letzten Kampf geführt wurden. Aber dies hier war eine modernere Variante.
    Man sperrte ihn in einen winzigen, fensterlosen Raum mit einer Tür aus Eisen und einer Neonröhre unter der Decke, die hinter drahtverstärktem Panzerglas leuchtete. Das einzige Möbelstück war eine schmale Pritsche, und einen Luxus wie eine Toilette gab es nicht. Er wartete vergeblich darauf, dass ihm die Handschellen abgenommen wurden, ersparte sich aber auch jede dementsprechende Bitte. Mike war ziemlich sicher, dass Jennings nicht darauf reagieren würde.
    Er

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