Invasion 02 - Der Angriff
zu gefährlich ist, dann machen wir nicht weiter«, fuhr er fort, mehr an Rohrbach denn an den Präsidenten gewandt.
Der Präsident hob die Hand, um einem Einspruch des Geheimdienstlers zuvorzukommen, und nickte. »Okay, wir versuchen es. Ich gebe zu, dass es in Anbetracht der herrschenden Lage keine so gute Idee wäre, in einem Suburban rumzufahren. Sie sagten, es gäbe da noch ein kleineres Problem?«
»Äh, ja«, sagte der Marine verlegen.
Roselita Martinez war allem Anschein nach eine sehr zornige Frau. Wenn es so etwas wie ESP gab, dann erlebte Präsident Edwards das jetzt am eigenen Leib. Die Wut des Anzugs übertrug sich über ein Link und sollte eigentlich nicht wahrnehmbar sein. Der Grund für die Wut der Anzuggestalt war vielschichtig. Der Anzug vermisste »seinen« Benutzer. Er hasste Posleen. Er hasste »die dort oben« und hatte den höchsten Vertreter dieser Gattung im Bauch. Aber er liebte seinen Schützling. Er betete ihn förmlich an. Er musste den Schützling beschützen. Er war sehr verwirrt. Er war sehr zornig. Er war sehr, sehr zornig.
»Mr. President«, sagte der Captain. Die Stimme klang seltsam, unglaublich klar und scharf und ohne irgendwelche technischen Nebengeräusche.
Der Präsident versuchte in dem Gelee, das den Helm füllte, den Kopf zu bewegen. Das war schier unmöglich, aber als er gegen den Wackelpudding ankämpfte, verlagerte sich der Blickpunkt des Helms heftig. Er flog so schnell hin und her, dass ihm davon schwindlig wurde.
»Mr. President«, sagte der Captain erneut, packte den Anzug und drehte ihn herum. Schließlich beruhigte sich die Sicht des Anzugs und konzentrierte sich auf den Offizier, war allerdings durch Dutzende nicht zu entziffernder Anzeigen beeinträchtigt. »Sehen Sie einfach nach vorn und gehen Sie ganz vorsichtig. Wenn das Gesichtsfeld wieder anfängt, sich zu bewegen, dann blicken Sie einfach nach vorn und schließen die Augen.«
»Da sind alle möglichen Anzeigen«, sagte der Präsident und schloss die Augen, als sein Gesichtsfeld wieder zu hüpfen anfing.
»AID, sag dem Anzug, er soll das Sichtfeld räumen und die Empfindlichkeit auf Sichtverlagerungen um fünfzig Prozent reduzieren«, sagte der Captain. »Sir, wir haben keine Zeit, Sie auf dem Anzug auszubilden. Wir müssen hier weg.«
»Okay«, sagte der Präsident und kämpfte gegen die Aufwallungen von Wut an, die ihn durchströmten. Er atmete tief durch. »Okay, gehen wir.« Er setzte dazu an, den Kopf zu schütteln, aber das Gel der Unterschicht hinderte ihn daran. Trotzdem wanderte das Sichtfeld hin und her. Wie man sich an dieses Wahnsinnsding gewöhnen sollte, war ihm wirklich ein Rätsel.
59
In der N ähe von Harper’s Ferry, Virginia,
United States of America, Sol III
0546 EDI, 11. Oktober 2009
»Mich würde wirklich interessieren, wie man sich an so etwas gewöhnen kann?«, meinte Captain O’Neal, der gegen Übelkeit ankämpfte, als der OH-58-Kiowa bei Harper’s Ferry scharf abschwenkte und der Interstate 70 in Richtung auf Baltimore folgte. Die Straße war mit Militärfahrzeugen voll gestopft, die meisten von ihnen standen.
»An was gewöhnen?«, fragte der Pilot, der ständig nach irgendwelchen Drähten Ausschau hielt. Unter hundert Fuß zu bleiben war die reinste Tortur. Man wusste schließlich nie, wo irgendeine dämliche Elektrizitätsgesellschaft ihre Drähte gespannt hatte, und die Hälfte der Zeit sah es so aus, als wären sie auf der verdammten Karte überhaupt nicht eingezeichnet.
»Schon gut«, murmelte Mike und wünschte sich, wieder in einem Anzug zu stecken. Selbst das Interface mit seinen Milspecs funktionierte nur beschränkt. Er sehnte sich nach dem Gefühl völligen Verbundenseins, wie es einem der Anzug vermittelte. Es war wie Rauschgift. Aber im Augenblick hatte er andere Sorgen.
Er lehnte sich im Sitz des kleinen Helikopters zurück und verarbeitete die Informationen, die über die VR-Brille hereinströmten. Die Interstates waren völlig überlastet, ebenso die Nebenstraßen. Doch sein Einsatzbefehl lautete, das Bataillon vor den Posleen nach Washington zu bringen. Das schien unmöglich, aber das war eine Illusion.
Unter dem Diktat der Notwendigkeit lösten sich Zweifel und Ängste allmählich auf. »Unmöglich« war ein Wort, für das in seinem Vokabular von dem Augenblick an kein Platz mehr war, als die Informationen hereinzuströmen begannen.
Die Posleen hatten seine Welt in Stücke gerissen und dem goldenen Zeitalter, in dem er herangewachsen
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