Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
langgestreckten, düsteren Gang. Der Baron ließ das Tor von innen zufallen, das So nnenlicht verschwand völlig, und schlagartig fühlte sich Benno in eine ganz andere, eine unwirkliche Welt versetzt.
„Wirklich toll gemacht, ziemlich gruselig. Ist das alles echt?“
Benno betrachtete den durchgetretenen Läufer, die Ritterrüstungen in den Wandnischen, die Fackeln an den Wänden gegenüber und dazwischen die Ölgemälde mit finster dreinblickenden, langhaarigen Gestalten. Da die Fackeln nicht brannten, wäre es in dem fensterlosen Gang stockdunkel gewesen, hätten nicht kleine, in den Boden eingelassene Lämpchen, wie man sie aus Kinogängen kannte, für ein bisschen Licht gesorgt. Der Baron ging an Benno vorbei und ihm voraus den Gang entlang.
„Rüstungen, Gemälde, Fackeln, das ist alles echt, stammt aber zum Teil von anderen Schlö ssern. Der Name Schreckenstein ist frei erfunden.“
„Wie heißt die Anlage denn wirklich?“
„Oberkranstein.“
„So wie Ihr Adelsgeschlecht.“
„Genau. Gruselpark Oberkranstein klang aber ein bisschen fad.“
„Schreckenstein ist dafür ziemlich klischeehaft – wie die Ei nrichtung hier.“
„So waren die Schlösser früher nun mal ausgestattet.“
„Bis auf die Fußbodenlämpchen.“
„Bei Besucherverkehr brennen natürlich die Fackeln, und die wenige Technik hier ist dann nicht zu erkennen.“
Der Baron öffnete eine Tür, drückte innen einen Schalter und führte Benno mit einer einladenden Geste hinein.
„Ist das nun eigentlich eine Burg oder ein Schloss?“
„Beides. Die alte Burg wurde in Teilen zum Schloss ausgebaut. Ich möchte Sie bitten, hier ein paar Minuten zu warten. Ich habe schnell noch zwei dringende Telefonate zu erledigen, danach können wir mit der Führung beginnen.“
Benno nickte und trat ein. Der Baron schloss die Tür hinter ihm.
In dem fensterlosen Raum war es noch düsterer als im Gang. Einzige Lichtquelle war ein fast heruntergebranntes Kaminfeuer gegenüber der Tür. Viel Wirkung hatte das Feuer nicht – kein Wunder: Bei näherer Betrachtung stellte es sich als unecht heraus. Nun war klar, was der Baron mit dem Schalter in Betrieb gesetzt hatte.
Der Anblick des falschen Feuers verstärkte Bennos Frösteln. Es war eiskalt und zugig im Raum, die Luft roch feucht und modrig. Deshalb verzichtete er darauf, sich auf einen der drei verschnörkelten, stark abgewetzten Stühle zu setzen, die um ein Tisc hchen mit einem siebenarmigen Leuchter mit heruntergebrannten Kerzenstummeln gruppiert waren. Er stellte seine Fototasche ab. Am liebsten wäre er zurück in den Flur gegangen, um dort zu warten. Aber ein Gemälde über dem Kamin erregte seine Aufmerksamkeit.
Er musste niesen, einmal, und noch bevor er sich die Nase pu tzen konnte ein zweites Mal. Verdammte Zugluft! Es gab noch eine zweite Tür im Raum rechts neben dem Kamin, und der Luftzug entstand wohl durch zirkulierende Ströme, die den Raum durch die beiden Türritzen durchzogen.
Das Gemälde zeigte eine sehr blasse Frau zwischen 30 und 40 Jahren mit übertrieben lang dargestelltem Hals. Sie trug die Haare hochgesteckt, und ihr Dekolletee war ein großer weißer Fleck ohne Andeutung von Rundungen. Benno zog den zusammengefalteten Computerau sdruck aus seiner Fototasche und hielt ihn neben das Gemälde. Die beiden Frauen hätten Mutter und Tochter sein können. Oder ein und dieselbe Person in unterschiedlichen Lebensphasen.
Benno bekam eine leichte Gänsehaut und fragte sich, ob sie von der Kälte kam oder vom A nblick der bleichen Gesichter. Wie die Gestalt aus dem Internet, so starrte auch diese Frau so intensiv aus dem Bild als könne sie den Betrachter erkennen und wolle ihn in ihren Bann zwingen – und zugleich wirkten beide Gesichter wie tot. Als sei da jeweils eine Leiche mit offenen Augen so ins Bild gesetzt worden, dass ihr Blick den Betrachter traf, aber ihn nicht wirklich sah und dadurch nur scheinbar lebendig und um so durchdringender wirkte.
Plötzlich knarrte es unmittelbar neben Benno. Er erschrak so heftig, dass er einen kleinen Satz zur Seite machte. Er sah, dass die Tür neben dem Kamin einen kleinen Spalt offenstand. War sie nicht eben noch geschlossen gewesen?
„Herr Baron“, fragte er zaghaft.
Wie eine kurze, heftige Welle durchlief ihn plötzlich das schaurige Gefühl, nicht allein im Raum zu sein.
Das war doch Quatsch, rief er sich selbst zur Besinnung. Es gab keinen Sinn für die unbewusste Wahrnehmung anderer Menschen.
Trotzdem wandte er
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