Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
von wo aus der gesamte Gruselpark zu überschauen war. Im krassen Gegensatz zum Rest der Burganlage bestand die Einrichtung in diesem Raum nicht aus Museumsstücken aus dem Mittelalter, so ndern war vom Schreibtisch über die Büroschränke und Stühle bis hin zum Wandschmuck neu und modern. An einer der Wände, dem Arbeitsplatz gegenüber, hing ein zwei Quadratmeter großer Lageplan der Burg, auf dem mit bunten Markierungen die Grusel-Attraktionen eingezeichnet waren.
„Zu sehen gibt es nichts“, antwortete Benno beim Hinsetzen. „In Ermangelung eines Comp uters hab ich nur ein Schmierblatt mit Notizen.“
„Dann legen Sie los.“
„Erst mal ein paar Fragen: Wie viele Räume hat die Hauptburg?“
„Mehrere hundert.“
Benno schnappte innerlich nach Luft – mit einer derartigen Ausdehnung hatte er nicht gerechnet.
„Lässt es sich machen, dass den vier Ereignisräumen jeweils ein separater Vorraum zugeordnet wird, so, wie es bei mir der Fall war?“
„Ja, ich denke schon.“
„Haben die Ereignisräume mehr als einen Ein- und Ausgang?“
„Auf jeden Fall.“
„Und könnte man die Besucher in allen vier Fällen über einen dieser jeweils separaten Au sgänge auf möglichst verschlungenen Wegen in einen großen gemeinsamen Raum lotsen?“
Der Baron zog die Mundwinkel nach unten, überlegte kurz und nickte.
„Ich denke schon. Aber das müssten wir uns vor Ort anschauen. Wollen Sie nicht endlich zur Sache kommen?“
„Aber sicher. Die gute Nachricht vorneweg: Wir würden mit den vorhandenen vier Ereigni sräumen hinkommen.“
„Wir?“, fragte Maurice spöttisch. Benno beachtete ihn nicht und redete weiter.
„Wenn Sie die Besucher vom Eingangsbereich nicht in Gruppen, sondern einzeln durch die Show lotsen, müssen Sie die Verweildauer von zehn Minuten eben auf mehrere Räume aufteilen. Drei Minuten im Warteraum, der keiner ist, sondern bereits entscheidender Teil der Show; drei Minuten im Ereignisraum und weitere drei Minuten in einem Nachbereitungsraum, in dem alle zusammentreffen, das Gruseln abschütteln, sich austauschen können und von einem Mitarbeiter gebeten werden, über den Verlauf der Show zu schweigen, damit auch andere Besucher den Überraschungseffekt genießen können. Die zehnte Minute dürfte gerade so reichen, um zwischen den Räumen zu wechseln.“
„Und was soll der ganze Aufwand bringen?“, fragte Maurice.
„Ganz einfach: dass Sie sogar unter Ihren Rahmenbedingungen von zehn Stunden Öffnungszeit und vier Ereignisräumen Ihre 1.000 Besucher pro Tag durchschleusen können – aber den Leuten mit diesem Konzept ein erheblich intensiveres Erlebnis bescheren.“
„Was soll denn daran intensiver sein?“
„Es stimmt schon, dass man sich alleine mehr gruselt als in der Gruppe“, sprang der Baron Benno bei. „Vor allem, wenn man denkt, dass man wartet, und nicht weiß, dass die Show bereits begonnen hat.“
„Außerdem ist es abwechslungsreicher, mehrmals die Schauplätze zu wechseln“, übernahm Benno. Der Baron hob den Finger.
„Aber darin liegt auch ein Problem: Wir müssen, trotz allem, vier weitere Räume ausstatten. Die zusätzlichen Vorbereitungsräume sollten ja optimal auf den Ereignisraum einstimmen.“
„Das ist kein Problem. Ich bin mit einem Bühnenbildner aus dem Theater meiner Heimatstadt befreundet, Herbert Wächtenbrink. Der ist Experte darin, mit wenig Geld und Aufwand E rstaunliches zu zaubern. Die Requisiten lassen sich wahrscheinlich sogar hier aus dem Schloss zusammensammeln.“
„Ein Provinztheater-Dekorateur als kreativer Kopf für das Herzstück eines 10-Millionen-Euro-Projektes, an dem über 20 Arbeitsplätze hängen“, stellte Maurice fest.
„Kann denn der überhaupt so kurzfristig hier einspringen?“, fragte der Baron mit einem Seitenblick auf Maurice.
Benno nickte.
„Zur Zeit ist Sommerpause im Theater. Da langweilt er sich meistens schrecklich und ist für jede Aufgabe dankbar.“
„Wie gut, dass es noch Idealisten ohne Privatleben gibt“, spö ttelte Maurice.
Der Baron stand auf, ging zum Fenster, schaute kurz hinaus, drehte sich wieder um und l ächelte.
„Ihr Konzept gefällt mir. Sie haben den Auftrag – aber nur so lange, wie die Gesamtumse tzung die Summe von 10.000 Euro nicht übersteigt.“
Benno nickte und versuchte nicht, seine Freude zu verbergen.
„Gut. Ich fahre heute sowieso heim, kläre alles mit Herbert und komme dann Anfang nächster Woche mit ihm zurück.“
„Nein.“
Der Baron schüttelte
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