Invasion der Götter
schlecht über seine Kinder, den Geschöpfen, die auch seine DNA in sich trugen?
»Die Menschen sind fehlgeleitet, geblendet von einem Bild, das sie sich aus der Verzweiflung heraus selbst erschufen. Wie könnt Ihr also alle Menschen verurteilen, wo doch so viele von ihnen es wert sind, errettet, erleuchtet zu werden? Sie sind äußerst wissbegierig, und dies ist, wie wir alle wissen, der Grundstock aller Intelligenz. Selbst wenn sie mit ihrem jungen Verstand noch nicht alles verstehen mögen, so sind doch einige von ihnen dazu imstande, die nächste Ebene zu erreichen.«
»Ich gebe Enlil recht. Diese primitiven Arbeiter haben keinerlei Existenzrechte«, warf eine weibliche Stimme harsch aus dem Hintergrund ein. Eine schlanke, wohlgeformte Frau trat vor das Hologramm. Ihre ebenmäßigen und glanzvollen blonden Haare reichten weit über ihre Schultern herab, und ihre ozeanblauen Augen waren katzenartig geformt. Die grauweiße Uniform schmiegte sich geradezu an ihren makellosen Körper. Doch so schön Nintu war, so böse und durchtrieben war sie auch. Vira begegnete der bildschönen, einstmals führenden Genetikerin stets mit äußerster Vorsicht. Auch wenn sie gemeinsam mit ihrem Gemahl Enki die Menschen, oder Schwarzköpfe, wie sie auch genannt wurden, erschuf, empfand sie diese Geschöpfe als zu rebellisch und aufsässig. Nintu hielt die Eabani, welche wiederum für Enki eine ungeeignete Sklavenrasse darstellte, für die wahre Krönung der Schöpfung. Doch der hohe Rat entschied sich für die Menschen, was in ihr insgeheim einen inneren Kroll schürte. Nie hatte sie diese Niederlage verkraftet, dass ihr Gatte, nach der Meinung des Rates, die »perfekten« Arbeiter geschaffen hatte.
»Nintu!«, stellte Vira das ihr Offensichtliche in einem beinahe schon bissigen Tonfall fest. »Ein jeder weiß, wie du den Menschen, der Schöpfung deines ach so geliebten Mannes Enki, gegenüberstehst. Daher wundert es mich nicht mehr, derartige Anmerkungen von dir zu hören. Man könnte sogar beinahe mit Bestimmtheit davon ausgehen, dass du deine Eabani nur aus einem Grund heimlich auf mein Schiff eingeschleust hast, um die Menschheit zu provozieren und uns als die Bösen darzustellen. Dabei bist du hier das einzige Ungeheuer. Um so unverständlicher ist es für mich nachzuvollziehen, wie dich die Menschen einst als Mama oder Mutti bezeichnen konnte. Du hast deine Rolle anscheinend recht überzeugend gespielt und sie glauben lassen, dass du ihnen gewogen bist. Doch ich bin dazu in der Lage, hinter deine Maske zu blicken.«
Nintu lachte lauthals, doch ihre Miene wandelte sich von einem Moment auf den nächsten schlagartig. Die Niedertracht stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Diese Wesen haben weder einen Namen noch eine Bezeichnung verdient, sie sind nicht mehr wert als die blutsaugenden Kreshnar-Schaben auf Urgaki. Die Kreaturen, die mein debiler Göttergatte schuf, waren ausschließlich als eine Sklavenrasse erdacht, geschaffen, uns zu dienen und die schweren Arbeiten zu verrichten, die uns zu schmutzig und anstrengend waren. Sie sind nichts anderes als instinktgetriebene bestialische Fleischfresser mit der Intelligenz von Lasttieren. Ihre Zeit war abgelaufen in dem Moment, als die Dingir Ki verließen. Schau dir ihre Geschichte an, sie ist voll von Kriegen, Morden und Notleiden. Ungeachtet der Folgen zerstören sie systematisch alles um sich herum. Und ihr Planet steht infolgedessen kurz vor einer klimatischen Katastrophe.«
»Genau aus diesem Grund sind wir verpflichtet, ihnen zu helfen, denn sie sind in der Lage, aus ihren Fehlern zu lernen. Das haben sie in den letzten Jahren bewiesen«, entgegnete Vira schon beinahe flehend.
»Wenn ein Tier am Abgrund hängt und droht, jeden Augenblick in die tödliche Tiefe zu stürzen, ist sich auch dieses primitive Lebewesen darüber im Klaren, einen Fehler begangen zu haben. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass es, wenn man es aus dieser Notlage befreite, nicht irgendwann wieder in diese gerät, oder spätestens ein Nachkomme eines Nachkommen. Der Mensch ist geradezu prädestiniert, ein und dieselbe Dummheit immer und immer wieder zu begehen. Wer garantiert uns also, dass, wenn wir ihnen helfen würden, sie nicht einen anderen Planeten im Laufe der Generationen in Schutt und Asche legen, gesetzt den Fall, sie brächten sich nicht schon vorher gegenseitig um?«
Vira schüttelte fassungslos ihr kahles Haupt. Wie konnte man jemanden, der derartig verbohrt und verblendet war wie Nintu,
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