Invasion der Götter
großen Satz auf Tyler. Der junge Vater pustete teils vor Schreck und teils wegen des beachtlichen Gewichts des Dreijährigen die Luft aus seinen Lungen. Orientierungslos und schlaftrunken sah er den Kleinen an, der sich liebebedürftig an ihn schmiegte.
»Ich habe dich vermisst, Daddy«, flüsterte Jamie leise und dachte nicht daran, die Umarmung zu lösen.
»Ich habe dich auch vermisst, Jamie, und willst du wissen, wie sehr?«
Sein Sohn riss in einer flinken Bewegung seinen Kopf in die Höhe und sah den Captain mit einem charmanten und neugierigen Lächeln direkt an. Tyler wurde immer wieder aufs Neue bewusst, dass Jamie die Augen seiner verstorbenen Frau hatte – ebenso strahlend blau wie es die ihren einst waren. Auch den Unschuldsblick, den sie immer aufgelegt hatte, wenn sie etwas unbedingt haben wollte, hatte er inzwischen perfektioniert.
»Du willst es wirklich wissen?«
Jamie kicherte und begann sich leicht zu winden, da er genau wusste, was ihm bevorstand. Tyler schnappte sich den Kleinen und stemmte ihn über seinem Gesicht mit ausgestreckten Armen der Zimmerdecke entgegen. Jamie kreischte, während Tyler immer wieder Ansätze dazu machte, ihn noch weiter nach oben werfen zu wollen. Der Captain wusste, dass sein Sohn diese Augenblicke genoss und sich wahrscheinlich wünschte, sie würden nie enden, so wie einst er in seinem Alter.
»Tyler, Jamie, kommt nach unten und lasst uns die Geschenke auspacken, damit wir frühstücken können. Wir wollen doch heute noch zu Tante Karen. Wenn wir da nicht rechtzeitig aufkreuzen, hat sie wieder die ganzen Kuchen alleine aufgegessen, so wie letztes Jahr«, rief Abigail von unten die Treppe hinauf und verdarb dem kleinen Mann seinen Spaß, doch er war nicht enttäuscht darüber. Sein größtes Geschenk hatte er bereits erhalten, nun war es Zeit für die kleineren. Wie ein kleiner Sausewind hüpfte er aus dem Bett und verschwand aus dem Zimmer, um kurz darauf wieder an der Tür zu erscheinen.
»Komm schon, Daddy, es gibt bestimmt auch Geschenke für dich.«
Mühselig quälte sich Tyler aus dem Bett und folgte seinem Sohn nach unten. Schon auf der Treppe stieg ihm der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in die Nase und der Geruch von Mums berühmtberüchtigten Pancakes, was den Verdruss, dass er aus dem Bett musste, wieder wettmachte.
Gähnend und augenreibend schlappte er in die Küche, um sich eine Portion morgendliches Koffein zu gönnen, als er seiner ungeduldigen und ein wenig missgelaunten Mutter begegnete.
»Tyler James Grand II., wir sind hier nicht in einem eurer Militärcamps, wo alle Männer halbnackt herumrennen, um sich durch ihre stählernen Oberkörper zu profilieren. Ich weiß, dass du durchtrainiert bist wie einst Adonis im alten Griechenland, also zieh dir was über.«
Tyler lachte und schüttelte den Kopf.
»Mum, seit wann bist du denn so empfindlich, wenn es darum geht?«, fragte er verwundert. Seine Mutter zeigte auf Jamie, der in der Tür stand und wie sein Vater nur eine Unterhose trug und die beiden verschmitzt angrinste.
»Vorbildfunktion, schon mal etwas davon gehört?«
Tyler schaute etwas mürrisch drein und ging zu seinem Sohn. »Okay, mein Großer. Wir beide gehen jetzt nach oben und ziehen uns was an. Anschließend gibt es Geschenke.«
KULATIO – Raumstation des intergalaktischen Bündnisses
Exorbitale Umlaufbahn Luna
[5 Stunden, 44 Minuten]
Die Toklar-Bar erinnerte Tyler an das Dschungel-Restaurant, das seine Filialen über die gesamten Vereinigten Staaten verteilt hatte, nur mit dem Unterschied, dass der Souvenir-Shop, die animierten irdischen Tiere und die Aquarien fehlten.
Doch ansonsten glich es dem Ambiente eines tropischen Regenwaldes beinahe bis aufs kleinste Detail. Überall wucherten farnähnliche Gewächse, die wunderschöne bunte Blüten trugen, und von den zimmerhohen Bäumen, die gute zehn bis fünfzehn Meter emporragten, hingen Ranken und feinädriges Wurzelwerk herab.
Die nicht ganz kreisrunden Tische schienen aus gewaltigen Baumstämmen scheibchenweise herausgeschnitten worden zu sein. Dies würde jedenfalls ihren gigantischen Durchmesser erklären – eine Großfamilie hätte an ihnen bequem Platz gefunden –, und die Stühle mussten aus reinem Wurzelwerk gefertigt worden sein. Da sie alles andere als bequem aussahen, entschieden sich der Major und Jonathan, an der Bar Platz zu nehmen, die ebenso aus einem Stück zu bestehen schien. Tyler fragte sich, von woher der Betreiber die Idee zu dieser
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