Invasion der Götter
flachen Hand auf die Metallummantelung. Sie fragte sich fortwährend, wann sie zuletzt die Batterien gewechselt hatte, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. Iris war schon drauf und dran, die Taschenlampe vor Verzweiflung gegen den kahlen Beton zu hämmern, da begann die Glühbirne zu leuchten.
Es war so, als fiele ihr ein kompletter Steinbruch vom Herzen. Das Blut an ihrer Hand, das von ihrem Hinterkopf stammte, war das Erste, was sie durch den Schein der Lampe zu Gesicht bekam.
Hektisch ließ sie den Lichtpegel durch das in Trümmern liegende Zimmer wandern. Kimis Schreie wurden kraftloser, dennoch vernahm sie diese noch klar und deutlich, auch wenn sie das Mädchen nicht sehen konnte. Wer wusste schon, wie lange die arme Maus bereits um Hilfe flehte. Unsicher bewegte sich Iris durch das Trümmerfeld. Ihre Knie fühlten sich an, als bebe der Boden noch immer, doch dem war nicht so.
Langsam näherte sie sich dem Schluchzen, bis sie schließlich vor einem umgestürzten Bücherregal stand. An den gewaltigen Dübeln, mit denen es fest in der Wand verankert gewesen sein musste, hingen große Zementstücke. Dies führte Iris abermals vor Augen, wie brachial die erlebten Erschütterungen waren.
Mit beiden Händen wuchtete sie das schwere Regal nach oben, um es in den Stand zu bringen. Darunter kam ein riesenhafter Brocken zum Vorschein. Das Wimmern war nun noch deutlicher zu hören. Da war sie, die Holzkiste, in der das kleine Mädchen lag, unmittelbar hinter dem Betonstück. Ob es nun Glück oder gar Schicksal war, dass das Bruchstück, das sie ebenso gut unter sich hätte begraben können, das Regal abgefangen hatte, erschien Iris zu diesem Zeitpunkt relativ unwichtig. Sie war einfach nur glücklich, dass Kimi wohlauf war.
Behutsam nahm sie die Kleine aus ihrem provisorischen Bett und drückte sie fest an sich. Schnell verstummte ihr Wimmern, und ehe sich’s Iris versah, war sie in einen tiefen, wohl behüteten Schlaf gefallen.
Man konnte von Glück sagen, dass dieser Bunker, so alt er auch sein mochte, dermaßen stabil gebaut war. Wenn man bedachte, wie extrem das Erdbeben gewesen war, waren die Schäden verhältnismäßig gering.
Iris hoffte noch weitere Personen zu finden. Vielleicht auch jemanden, der ihr sagen konnte, wie sie auf dem schnellsten Wege an die Oberfläche zurückkam. Die Aufzüge schienen jedoch außer Funktion zu sein, vermutlich war der Hauptgenerator bei dem Beben beschädigt worden. Einer der Notstromgeneratoren hatte seine Tätigkeit zwar inzwischen aufgenommen, doch dies reichte allem Anschein nach nur für eine schummrige Korridorbeleuchtung und die elektronischen Schleusentüren. Iris war jedoch froh über diese Tatsache, denn sie hatte immer noch keine Ahnung, wann sie das letzte Mal die Batterien gewechselt hatte.
In den übrigen Teilen des unterirdischen Komplexes sah es nicht anders aus als in dem Raum, in dem sie wieder zur Besinnung gekommen war. Überall lagen Trümmerteile von der Decke und den Wänden. Zum Teil war sogar nahezu die komplette Deckenkonstruktion eingebrochen, was ein Weiterkommen unmöglich machte. Und der Stützpunkt war ohnehin schon der reinste Irrgarten mit all seinen Gängen, Türen und Sackgassen. Von Iris’ schlechtem Orientierungssinn einmal gar nicht zu sprechen.
Nachdem sie bereits endlos lange durch den Komplex geirrt war, befürchtete sie, dass die Überlebenden wahrscheinlich bereits alle geflohen waren – so es überhaupt welche gab. Als sie bemerkte, dass sie sich in der Nähe der Mannschaftskantine befand, sah sie dort die letzte Chance, einen Überlebenden zu finden.
Mit äußerster Vorsicht drücke sie den Griff der schweren, doppelflügeligen Feuerschutztür nach unten, als diese bereits von alleine aufsprang. Ungehindert drangen Schutt und Geröll, vorher von der stabilen Tür zurückgehalten, in den Korridor. Geistesgegenwärtig sprang Iris gerade noch rechtzeitig aus dem Weg, bevor sie unter einer Welle von Beton und Zement begraben worden wäre. Verstört betrachtete sie die Bruchstücke und entdeckte darin voller Entsetzen abgetrennte und blutverschmierte menschliche Gliedmaßen. In diesem Raum gab es ganz sicher keine Überlebenden, stellte sie bestürzt fest. Die gesamte Deckenplatte war über dem Raum eingebrochen. Ein beklemmendes Gefühl überkam Iris. Bis vor kurzem hatte hier noch reger Betrieb geherrscht. Die Angestellten hatten sich hier zum Essen und Trinken getroffen und angeregte Gespräche
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