Invasion - Die Verräter - Ringo, J: Invasion - Die Verräter
wenn er nicht an Höhe gewinnen konnte. Unglücklicherweise war das aber nur möglich, wenn er nach Norden abbog, fast in entgegensetzte Richtung zu seinem Ziel, und dort die Thermiken an der Südseite der Cordillera Central ausnutzte. Die südliche Brise selbst konnte er nicht einmal nutzen, weil über Santiago im Augenblick völlige Windstille herrschte. Das lag vielleicht daran, dass Santiago in einem Tal zwischen den Herrera-Bergen der Central Cordillera und Los Santos lag. Diaz wusste das nicht und hatte auch nicht daran gedacht, sich zu erkundigen. Er wusste nur eins: Miss Daisy hatte ihm gesagt, dass Windstille herrschen würde und er entweder genügend Höhe haben würde, um seine Reise zu vollenden, oder nach Norden abbiegen musste, ehe er wieder Südkurs aufnahm. Die einzig andere Alternative war eine Bruchlandung, nach der er dann den Weg entweder zu Fuß fortsetzen oder irgendein Fahrzeug anhalten musste.
Werde ich die Stadt wieder finden können, wenn ich zwanzig Kilometer weit nach Norden fliege? Kann ich sie
wieder finden, nachdem ich ein oder zwei Stunden gekreist bin, um die Thermiken auszunutzen? Kann ich sie finden, wo sie doch völlig dunkel ist, schwarz wie der Arsch eines Negers um Mitternacht?
Er glaubte es nicht. Und ebenso wenig dachte er, dass er warten sollte, bis es wieder hell wurde. Er war einfach zu müde, um das Risiko einzugehen, so lange zu kreisen. Wenn er in der Luft einschlief, würde er einen Absturz vermutlich erst dann bemerken, wenn er bereits stattgefunden hatte. Außerdem würde er einen solchen Absturz zwar höchstwahrscheinlich überleben, aber sobald er einmal aus dem Cockpit gekrochen war, ganz sicherlich nicht die leiseste Ahnung haben, wo er sich befand.
Wieder knipste Diaz seine rot gefilterte Taschenlampe an. Er warf einen letzten Blick auf seine Landkarte und seine Route, richtete dann seine Aufmerksamkeit auf den Kompass. Dann drückte er den Knüppel zur Seite und nahm Kurs auf die Stadt Montijo, so gut er das konnte, um dort, wie er hoffte, bei der Rettung seines Vaters und der anderen helfen zu können.
Montijo, Panama
Suarez stand in seinem vorgeschobenen Befehlsstand vor der an die Wand gehefteten Karte, als die Sanitäter auf einer Bahre den blutenden jungen Mann hereinschleppten und die Tragbahre über zwei Stühle legten.
»Er wäre mit Sicherheit tot gewesen«, verkündete der korpulente Sanitätssergeant mit dem schütteren Haar, »wenn er nicht das Glück gehabt hätte, ein paar hundert Meter vor dem Feldlazarett zu landen. Wir konnten ihn stabilisieren und die Blutung stoppen. Das Problem war, ihn aus seinem Flugzeug herauszuschneiden und ihn von dem Ast zu befreien, der sich durch das Flugzeug und seinen Bauch gebohrt hatte.«
»Hat er etwas gesagt?«, fragte Suarez, obwohl etwas an ihm nagte, was der Sergeant gesagt hatte.
»Nein, bloß dass er uns erschießen würde, wenn wir ihn nicht zu Ihnen bringen, Sir«, antwortete der Sergeant. »Wir haben ihm geglaubt.«
»Wann hat er die Besinnung verloren?«
»Oh, das war etwa zu dem Zeitpunkt, als wir ihn von dem Ast gezogen und ihm die Gedärme wieder in den Bauch gestopft hatten. Wahrscheinlich hätten wir ihn ins Lazarett bringen sollen, aber er bestand gleich zu Anfang darauf, dass es wirklich wichtig sei, ihn hierher zu bringen.« Der Sergeant zuckte die Achseln.
Flugzeug, sinnierte Suarez. Flugzeug? Kein Flugzeug kann irgendwo fliegen, wo es Posleen gibt. Wie zum Teufel …
»Hatte dieses ›Flugzeug‹ einen Motor? Einen Propeller? Irgendetwas dergleichen?«
Der Sergeant legte den Kopf zur Seite und blickte zur Decke, gab sich alle Mühe, sich zu erinnern. »Ja, Sir, aber jetzt, wo Sie das fragen, nein, der war nicht einmal warm, so, als ob das Flugzeug ohne Motor geflogen wäre. Ich frage mich nur, wie es das angestellt hat.«
Suarez nickte langsam. »Es ist nicht geflogen; es ist gesegelt. Das hier ist einer der jungen Männer, die unseren Arsch gerettet haben, als der Feind uns abgeschnitten hat.«
»Ooooh«, machte der Sergeant. »Dann sollten Sie sich besser beeilen, Sir, wenn Sie ihm irgendwelche Fragen stellen wollen. Dieser junge Mann muss dringend ins Lazarett, und wir sind es ihm schuldig, ihn nicht sterben zu lassen.«
Suarez kniete neben Diaz nieder und tippte den jungen Piloten vorsichtig an der mit Blut überströmten Wange an. Das schien keinerlei Auswirkungen zu haben, und deshalb tippte er ihn etwas stärker an, gab ihm eine leichte Ohrfeige. Diaz’ Augen gingen
Weitere Kostenlose Bücher