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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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geht, nehme jedoch an, daß sich Ärzte besser um sich selber kümmern als irgend jemand sonst, deshalb werde ich Euch fragen, wie es Eurer Meinung nach dem König geht. Wie geht es ihm?« Der Herzog sprach nuschelnd.
    »Dem König geht es im allgemeinen gut. Sein Knöchel bedarf noch der weiteren Behandlung, und er leidet unter den Resten einer leichten…«
    »Gut, gut.« Walen sah zu der Tür, die in den Ballsaal führte. »Und wie gefällt Euch unser Ball?«
    »Er ist überaus eindrucksvoll.«
    »Sagt mal, Doktor, gibt es Bälle an jenem Ort namens Drezen, von dem Ihr kommt?«
    »Gibt es, Herr.«
    »Und sind sie so exquisit wie dieser? Oder sind sie besser und großartiger und stellen unsere traurigen und schwachen Bemühungen in den Schatten? Übertrumpft uns Drezen in jeder anderen Hinsicht genauso, wie dies Eurer Behauptung nach in der Medizin der Fall ist?«
    »Ich denke, die Feste, die wir in Drezen feiern, sind eher weniger prächtig als dieses hier, Herr.«
    »Ach, wirklich? Aber wie kann das sein? Ich war aufgrund Eurer vielen Bemerkungen und Beobachtungen vollkommen überzeugt davon, daß Euer Heimatland dem unseren auf allen Gebieten weit überlegen ist. Ihr habt davon mit so glühender Begeisterung gesprochen, daß ich manchmal glaubte, ihr sprächet von einem Märchenland.«
    »Ich denke, Ihr werdet feststellen, daß Drezen ebenso wirklich ist wie Haspidus.«
    »Du lieber Glaube! Ich bin beinahe enttäuscht. Nun, da haben wir es!« Er wandte sich zum Gehen, dann hielt er wieder inne. »Wir werden Euch doch hoffentlich später beim Tanz sehen, nicht wahr?«
    »Ich denke schon, Herr.«
    »Und werdet Ihr uns vielleicht einen Tanz aus Drezen vorführen und ihn uns beibringen?«
    »Einen Tanz, Herr?«
    »Ja. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man in Drezen genau dieselben Tänze tanzt wie hier und keine kennt, die uns neu wären. Das ist doch sehr unwahrscheinlich, nicht wahr?« Die kleine, leicht buckelige Gestalt des Herzogs wandte sich ruckend von einer Seite zur anderen, um Beipflichtung heischend.
    »O ja«, gurrte seine Frau hinter ihrer Gold-und-Edelstein-Maske. »Ich kann mir vorstellen, daß man in Drezen die fortschrittlichsten und interessantesten Tänze beherrscht.«
    »Ich bedaure, daß ich keine Tanzlehrerin bin«, entgegnete die Ärztin. »Ich wünschte jetzt, ich hätte mehr Emsigkeit an den Tag gelegt beim Erlernen des richtigen Benehmens bei einem Ball. Leider habe ich meine Jugend in eher akademischen Kreisen verbracht. Erst seit mir das Glück hold war und ich in Haspidus ankam, habe ich…«
    »Aber nein!« rief der Herzog. »Meine liebe Frau, Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, daß es einen Aspekt des kultivierten Benehmens gibt, in dem Ihr uns nichts beibringen könnt! So etwas hat man ja noch nie gehört! O, werte Dame, mein Glaube ist erschüttert! Ich bitte Euch, die Sache noch einmal zu überdenken. Durchforstet Euer Doktorengedächtnis! Versucht zumindest, für uns aus Eurer Erinnerung einen Arztkotillon, ein Chirurgenballet oder zumindest eine Krankenschwesterquadrille oder einen Patientengigue auszugraben.«
    Die Ärztin wirkte äußerlich ungerührt. Wenn sie unter ihrer Maske ebenso schwitzte, wie ich unter meiner, so ließ sie sich nichts davon anmerken. Mit ruhiger und gelassener Stimme sagte sie: »Der Herzog schmeichelt mir bei seiner Einschätzung der Bandbreite meines Wissens. Ich werde natürlich seine Anweisungen befolgen und…«
    »Ich bin sicher, Ihr könnt es, ich bin sicher«, sagte der Herzog. »Und, bitte, aus welchem Teil Drezen, sagtet Ihr, stammt Ihr?«
    Die Ärztin richtete sich ein wenig mehr auf. »Aus Pressel, auf der Insel Naphtilia, Herr.«
    »Ach ja, ja. Naphtilia. Naphtilia, richtig. Ihr müßt schrecklich Heimweh danach haben, wie ich mir vorstellen kann.«
    »Ein wenig, Herr.«
    »Niemanden Euresgleichen zu haben, mit dem Ihr Euch in Eurer Muttersprache unterhalten könntet, nicht über die letzten Neuigkeiten unterrichtet zu sein, ohne Landsleute, mit denen Ihr Erinnerungen austauschen könntet. Eine traurige Angelegenheit, das Leben im Exil.«
    »Man wird dafür entschädigt, mein Herr.«
    »Ja. Gut. Sehr wohl. Denkt weiter über diese Tänze nach. Wir sehen Euch später, vielleicht die Beine schleudern, herumwirbelnd und hüpfend, wie?«
    »Vielleicht«, sagte die Ärztin. Ich für meinen Teil war froh, daß ich ihren Gesichtsausdruck hinter der Maske nicht sehen konnte. Natürlich waren ihre Lippen sichtbar, da sie ja eine Halbmaske trug.

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