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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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aus seinen Äußerungen eine gewisse neidvolle Verachtung für den Protektor herauszuhören. Und ich glaube, er hält nicht viel von Euch.« Sie sah plötzlich auf.
    DeWar merkte, daß er ein wenig nach hinten ruckte, als ob die Kraft des Blickes dieser blau und golden gesprenkelten Augen wie eine Heimsuchung auf ihn wirkte. »Obwohl all das nicht besagen soll, daß er nicht immer noch ein guter und getreuer Gefolgsmann des Protektors ist«, sagte die Dame Perrund. »Wenn man es darauf anlegt, Fehler zu finden, dann braucht man nur angestrengt genug zu suchen, um bei jedem Menschen auf einen Grund zum Mißtrauen stoßen.« Sie senkte den Blick wieder.
    »Natürlich«, sagte DeWar und merkte, wie ihm Wärme ins Gesicht stieg. »Dennoch ist es mir lieber, ich weiß solche Dinge, als daß ich sie nicht weiß.«
    Die Dame Perrund machte einen Zug mit einer Spielfigur, dann noch einen. »Da!« sagte sie.
    DeWar setzte seine Analyse des Spiels fort.

 
13. Kapitel
Die Ärztin
     
     
    Meister, der Maskenball fand sechs Tage später statt. Der König litt immer noch unter einer leichten Erkältung, doch die Ärztin hatte ihm ein Präparat gegeben, das sie aus Blüten und Gebirgskräutern hergestellt hatte und das seine ›Membrane‹ (womit sie, glaube ich, seine Nase meinte) für die Dauer des Tanzes trocken hielt. Sie riet ihm, Alkohol zu meiden und statt dessen große Mengen Wasser zu trinken, oder noch besser Fruchtsaft. Ich glaube jedoch, daß er sich im Lauf des Festes bald dazu überreden ließ, vor allem von sich selbst, daß die Definition von Fruchtsaft womöglich auch Wein einschloß, und also trank er an jenem Abend eine ordentliche Menge davon.
    Der Große Ballsaal von Yvenage ist ein dramatischer runder Raum, der zur Hälfte von Fenstern, die vom Boden zur Decke reichen, umrahmt wird. Im Laufe des Jahres, seit der Hof das letzte Mal Yvenir besucht hatte, waren die Fenster in allen unteren Räumlichkeiten renoviert worden. Die großen pastellgrünen Stuckpaneele waren durch ein Holzgitter ersetzt worden, das kleinere Scheiben aus dünnem, farblosem Glas hielt. Das Glas glich in seiner Vollkommenheit beinah Kristall und bot einen kaum verzerrten Blick auf die vom Mondlicht beschienene Landschaft bewaldeter Hügel jenseits des Tals. Die Wirkung war überwältigend, und mir schien – aufgrund der Ausrufe der Bewunderung, die ich allenthalben vernahm, und die extravagante Höhe der Schätzungen bezüglich der Kosten eines solchen Projektes, die in meiner Hörweite geäußert wurden –, daß die Leute kaum tiefer beeindruckt hätten sein können, wenn die neuen Fenster aus Diamanten bestanden hätten.
    Das Orchester saß auf einer flachen runden Bühne in der Mitte des Saals, jeder Spieler mit dem Gesicht nach innen, um den Dirigenten im Blick zu haben, der zu jeder Passage der Musik die passenden Verrenkungen machte. Die Tänzer wirbelten um diesen Mittelpunkt herum wie gefallene Blätter, von einem spiralförmig wehenden Wind erfaßt, und die ausgeklügelten Schritte und Muster des Tanzes schufen eine Ordnung in diesem scheinbaren Chaos.
    Die Ärztin war eine der aufsehenerregendsten anwesenden Damen. Zum Teil wurde diese Wirkung durch ihre Größe erzielt. Es waren noch größere Frauen da, dennoch schien sie alle zu überstrahlen. Sie besaß eine Haltung, die in jeder Hinsicht von natürlicher Erhabenheit zeugte. Sie trug ein Abendkleid, das im Vergleich zu den meisten anderen eher schlicht war. Es war von einem schimmernden Dunkelgrün als Gegensatz zu dem weiten, von einem Netz gehaltenen Fächer ihres sorgsam frisierten Haars. Ihr Kleid war unmodisch eng.
    Meister, ich muß gestehen, ich war erregt und fühlte mich geehrt, dabeisein zu dürfen. Da die Ärztin keine andere Ballbegleitung hatte, fiel mir diese Rolle zu, und so konnte ich mit stolzer Genugtuung an die anderen Gehilfen und Lehrlinge denken, von denen die meisten nach unten verbannt worden waren. Nur den älteren Pagen war die Teilnahme gestattet, und die wenigen, von denen nicht erwartet wurde, daß sie ausschließlich die Rolle von Dienern spielten, waren sich nur allzusehr ihrer Unfähigkeit bewußt, in einer Gesellschaft zu brillieren, in der es so viele junge Adlige gab. Die Ärztin hingegen behandelte mich als ihresgleichen und verlangte während des ganzen Balles nicht ein einziges Mal meine Dienste als Lehrling.
    Die Maske, die ich gewählt hatte, war ein schlichtes Modell aus fleischfarbenem Papier, das so bemalt war, daß die eine

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