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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Stadtoberhaupt entsprechen, jedoch ohne die militärische Autorität und mit der zusätzlichen Erwartung, daß der Mann oder die Frau in der Lage sein würden, Drezen im Ausland auf der diplomatischen Ebene zu vertreten.«
    »Sehr erleuchtend.«
    »Warum fragt Ihr, Herr?«
    »Oh, ich habe neulich einen Bericht von einem unserer Botschafter gelesen… von Cuskery, glaube ich, in dem das Wort vorkam, so als ob es eine Art Rang sei, ohne daß jedoch eine Erklärung hinzugefügt worden wäre. Ich hatte die Absicht, jemanden aus unseren diplomatischen Kreisen zu fragen, aber anscheinend war es mir entfallen. Als ich Euch sah und ich an Drezen dachte, ist es mir offenbar wieder eingefallen.«
    »Ich verstehe«, sagte die Ärztin. Es wurde noch mehr zwischen ihnen gesprochen, doch dann richtete die Dame Ulier, Herzog Ulresiles Schwester, das Wort an mich.
    »Mein Bruder scheint von Eurer Ärztin vollkommen in Bann geschlagen zu sein«, sagte sie. Die Dame Ulier war ein paar Jahre älter als ich oder ihr Bruder, mit dem gleichen verkniffenen und bläßlichen Aussehen wie er, obwohl ihre dunklen Augen strahlten und ihr braunes Haar leuchtete. Ihre Stimme jedoch war irgendwie ätzend und kratzend, auch wenn sie leise sprach.
    »Ja«, sagte ich. Mir fiel wenig anderes ein.
    »Ja. Ich glaube, er sucht einen Leibarzt für unsere Familie, die natürlich von höchster Qualität ist. Unsere Hebamme wird allmählich alt. Vielleicht würde die Doktorin einen annehmbaren Ersatz darstellen, wenn der König ihrer überdrüssig wird, falls wir sie für geeignet und ausreichend vertrauenswürdig halten.«
    »Bei allem Respekt, Madame, aber ich glaube, das hieße, ihr Können und Wissen herabzusetzen.«
    Die Dame sah an ihrer langen Nase entlang zu mir herab. »Ach, glaubt Ihr das! Nun, ich bin anderer Ansicht. Und Ihr habt Euch selbst widersprochen, mein Herr, denn wenn Ihr mir allen Respekt entgegenbringen würdet, den ihr aufbringen könnt, dann hättet Ihr zu dem, was ich gesagt habe, keine Gegenansicht geäußert.«
    »Ich bitte um Verzeihung, Madame. Ich konnte es einfach nicht ertragen, eine so edle und hübsche Dame in bezug auf die Befähigung von Doktor Vosill so fehlgeleitet zu sehen.«
    »Ja. Und Ihr seid…?«
    »Oelph, edle Dame. Ich habe die Ehre, der Gehilfe der Ärztin zu sein, und zwar schon während der ganzen Zeit, seit sie unseren guten König behandelt.«
    »Und Eure Familie?«
    »Ist nicht mehr, edle Dame. Meine Eltern gehörten dem koetischen Glauben an und kamen ums Leben, als das Imperiale Regiment unseres verstorbenen Königs die Stadt Derla plünderte. Ich war damals noch ein Baby in Windeln. Ein Offizier empfand Mitleid mit mir, obwohl er mich genausogut ins Feuer hätte werfen können, und nahm mich mit zurück nach Haspidus. Ich wuchs unter den Waisen von Offizieren auf, ein getreuer und hingebungsvoller Diener der Krone.«
    Die Dame betrachtete mich mit einigem Entsetzen. Mit erstickter Stimme sagte sie: »Und Ihr wollt mich darüber belehren, welche Voraussetzungen jemand mitbringen muß, um unserer Familie zu dienen?« Sie lachte auf eine durchdringende Weise, und das dabei entstehende schrille Kreischen überzeugte die meisten der Umstehenden sicher davon, daß ich ihr soeben auf die Zehen getreten war; während der restlichen Formation hielt sie die Nase in einem so steilen Winkel nach oben, als ob sie versuchte, eine Marmorfrucht auf ihrer Spitze zu balancieren.
    Die Musik hatte aufgehört. Wir verneigten uns alle gegenseitig voreinander, und der König, der ein wenig humpelte, wurde von Herzögen und Prinzen umringt, die es anscheinend alle kaum erwarten konnten, mit ihm zu sprechen. Die kleine wadderanische Prinzessin, deren Name, wie ich herausgefunden hatte, Gul-Aplit lautete, bedachte mich mit einem höflichen Winken, als eine unerbittlich aussehende Anstandsdame neben ihr erschien und sie wegführte. »Alles in Ordnung mit dir, Oelph?« fragte die Ärztin.
    »Mir geht es sehr gut, Herrin«, antwortete ich. »Allerdings ist mir ein bißchen warm.«
    »Wir wollen uns etwas zu trinken besorgen und dann ein paar Schritte ins Freie machen. Was hältst du davon?«
    »Ich würde sagen, das ist eine sehr gute Idee, Herrin, wenn es nicht sogar zwei sind.«
    Wir nahmen zwei große Gläser von einem Tablett, die so etwas wie einen würzigen Punsch enthielten, der, wie uns der Diener versicherte, sehr wenig Alkohol enthielt, und dann, nachdem wir endlich unsere Masken abgesetzt hatten – und kurz dem Ruf der

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