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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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der kleineren Nebenräume des Ballsaales herausführte, während sie sich weiter öffnete und eine halbbekleidete Gestalt langsam aus ihr hervor ins Licht torkelte und nach den blaßgoldenen Vorhängen griff, die sich nach innen zurück kräuselten, wo schrille, mädchenhafte Schreie ertönten.
    Der Mann, der nur mit einem weißen Hemd bekleidet war, kippte allmählich nach vorn und rollte um sich selbst, so daß sein Gesicht den Monden zugewandt war. Das reinweiße Hemd schimmerte im Mondlicht. Hoch an seiner Brust, in der Nähe einer Schulter, war ein heller, leuchtend roter Fleck, wie eine frisch gepflückte Blume. Der Zusammenbruch des Mannes auf den Steinen des Balkons war geprägt von einer Art lässiger Eleganz, bis seine verzweifelte Umklammerung der Vorhänge und sein Gewicht diese überforderten und sie nachgaben.
    Damit stürzte er mit einem lauten Plumps zu Boden, und die Vorhänge bauschten sich, ergossen sich über ihn, so wie sich Sirup über ein zappelndes Insekt ergießt, und deckten seine rundliche Gestalt vollkommen zu, so daß es fast so aussah, als ob da überhaupt kein Körper wäre. Unterdessen ertönten die Schreie im Raum immer noch, und jedermann stand versteinert an seiner Stelle und starrte auf die unfaßbare Szene.
    Die Ärztin bewegte sich als erste, indem sie ihr Glas auf den Balkon warf, wo es mit einem Klirren zerschellte, und zu der hohen, langsam schwingenden Tür rannte.
    Es dauerte noch einen oder zwei Augenblicke, bis ich den Bann, der sich auf mich gelegt hatte, brechen konnte, aber schließlich war ich fähig, der Ärztin zu folgen – durch eine Menge von Dienern, von denen die meisten, sehr zu meiner Verwirrung, plötzlich Schwerter trugen –, dorthin, wo die Ärztin bereits kniete, die Falten des Vorhangs zurückwarf und sich zu der zuckenden, blutenden Gestalt von Herzog Walen hinabbeugte.

 
14. Kapitel
Der Leibwächter
     
     
    »Und Schuß!«
    Die kleine Wurfschleuder spannte sich, der Schlagarm – in der Tat nicht viel größer als der ausgestreckte Arm eines Mannes – zuckte nach vorn und schlug gegen das Lederpolster an dem großen Querbalken der Waffe. Der Stein zischte durch die Luft, beschrieb einen Bogen über die untere Terrasse und hinunter in den darunterliegenden Garten. Das Projektil schlug seitlich in eine von DeWars Städten ein, grub sich in die ordentlich geharkte Erde und stieß eine große Wolke aus rotbraunem Staub los, die eine Weile in der Luft hängenblieb und dann langsam zu einer Seite davonschwebte, um sich allmählich wieder am Boden niederzulassen.
    »Oh, Pech gehabt!«
    »Das war knapp.«
    »Das nächste Mal.«
    »Beinahe wäre es gelungen, General Lattens«, sagte DeWar. Er hatte mit überkreuzten Armen auf der Balustrade gesessen und ein Bein baumeln lassen. Er sprang auf die schwarzen und weißen Fliesen des Balkons hinab und kauerte sich neben seinem eigenen Miniaturkatapult nieder. Er zog schnell und kräftig an dem runden Rad, woraufhin der Holzarm quietschend und ächzend zurückratschte, bis er etwa auf der drei Vierteln der Strecke bis zum horizontalen hinteren Querglied einrastete. Der Arm bog sich aufgrund der Anspannung des gedrehten Leders durch.
    Unterdessen kletterte Lattens auf dieselbe Steinbalustrade hinauf, auf der DeWar gesessen hatte. Sein Kindermädchen hielt ihn am Rückenteil seiner Jacke fest, um zu verhindern, daß er herunterfiel. Lattens hob sein Spielzeugteleskop ans Auge, um den Schaden zu begutachten, der im Garten unten angerichtet worden war.
    »Nächstes Mal ein wenig weiter nach rechts, Junge«, sagte UrLeyn zu seinem Sohn. Der Protektor, sein Bruder RuLeuin, Doktor BreDelle, BiLeth, Kommandant ZeSpiole und die Konkubine Perrund saßen, umgeben von mehreren Dienern, auf einer mit einer Markise überdachten Plattform, die etwa auf die Höhe der Balustrade angehoben worden war und den Schauplatz überblickte.
    Lattens stampfte mit dem Fuß auf dem Stein auf. Sein Kindermädchen nahm ihn fester in den Griff.
    Die Dame Perrund, von rotem Tüll verschleiert, wandte sich an den Protektor. »Herr, ich bin sicher, das Kindermädchen hält ihn gut fest, aber es tut mir in den Knochen weh, wenn ich ihn da oben sehe. Hättet Ihr vielleicht Nachsicht mit einer törichten Anwandlung einer eurer älteren Damen, indem Ihr eine Trittleiter kommen laßt? Dann könnte er über die Balustrade sehen, ohne daraufklettern zu müssen.«
    Der Außenminister BiLeth runzelte die Stirn und gab ein ›Tssk‹ von sich.
    UrLeyn

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