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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Natur gefolgt waren –, traten wir hinaus auf den Balkon, der um den Ballsaal herumführte, wo bereits an die hundert andere Ballgäste standen, die die frische Luft genossen.
    Es war eine dunkle Nacht, und sie würde lang sein. Seigen hatte sich an diesem Abend bei Sonnenuntergang beinahe mit Xamis vereint, und für ein gutes Viertel des Ganztages würde nur der Mond den Himmel erhellen. Foy und Iparine waren an diesem Abend unsere Laternen, ihr blaugraues Licht flutete über die Fliesen des Balkons und die Gartenterrassen, die Brunnen und Hecken wurden beleuchtet von Papierlampions, Pechpfannen und mit Düften aromatisierte Stabfackeln.
    Herzog und Herzogin Ormin und ihre Begleitung traten auf dem Balkon zu uns, wobei ihr Weg von Zwergen beleuchtet wurde, die kleine Pfähle trugen, auf der Spitzen große Kugeln aus klarem Glas waren, die etwas enthielten, das aussah wie Millionen weicher und winziger Funken. Während sich diese sonderbaren Gebilde uns näherten, sahen wir, daß die Kugeln Hunderte und Aberhunderte von Glühwürmchen enthielten, die alle in ihrem seltsamen Gefängnis herumschwirrten. Sie, verbreiteten wenig Licht, jedoch viel Erstaunen und Entzücken. Der Herzog tauschte ein Nicken mit der Ärztin, während die Herzogin sich nicht herabließ, uns zur Kenntnis zu nehmen.
    »Habe ich vielleicht gehört, wie du der sehr jungen, aber sehr edlen Dame Ulier deine Lebensgeschichte erzählt hast, Oelph?« fragte die Ärztin, wobei sie an ihrem Glas nippte und wir dahinwandelten.
    »Ich habe etwas darüber erwähnt, wie ich aufwuchs, Herrin. Vielleicht war das ein Fehler. Sie wird deswegen keine bessere Meinung weder von dem einen noch dem anderen von uns haben.«
    »Meinem Eindruck nach, ganz zu schweigen von den Blicken, die ich geerntet habe, glaube ich nicht, daß sie noch geringer von mir denken könnte, aber es tut mir leid, wenn sie dein Waisentum in irgendeiner Weise verwerflich findet.«
    »Dies und die Tatsache, daß meine Eltern der koetischen Glaubensgemeinschaft angehörten.«
    »Nun, man muß die Vorurteile der Adeligen in Betracht ziehen. Deine Vorfahren bekannten sich nicht nur dazu, Republikaner zu sein, sondern auch so gottesfürchtige Menschen, daß sie weder Furcht noch Achtung für irgendeine weltliche Autorität übrig hatten.«
    »Der Glaube, dem sie anhingen, war ein trauriger Irrtum, und ich bin nicht stolz darauf, damit etwas zu tun zu haben, dennoch halte ich die Erinnerung an meine Eltern in Ehren, so wie es jedes Kind tun muß.«
    Die Ärztin sah mich an. »Du verabscheust nicht, was mit ihnen geschehen ist?«
    »In demselben Maße, in dem ich ihre Unterdrückung als Volk verabscheue, ein Volk, das Vergebung anstatt Gewalt predigte, verdamme ich auch das Reich. Hingegen danke ich der Vorsehung, daß ich als unschuldig anerkannt und gerettet wurde, indem ich von einem haspidianischen Offizier entdeckt wurde, der nach den eher humanen Regeln des guten Vaters unseres Königs handelte.
    Aber ich habe meine Eltern nie kennengelernt, Herrin, und ich bin nie jemandem begegnet, der sie kannte, und ihr Glaube bedeutet mir nichts. Und das Reich, dessen Existenz mich möglicherweise zu einem Racheakt hätte beflügeln können, ist gefallen, von dem Feuer vernichtet, das vom Himmel fiel. Eine unvergleichlich mächtige Kraft wurde von einer noch größeren zu Fall gebracht.« Ich sah sie an, und der Ausdruck in ihren Augen gab mir das Gefühl, daß wir uns nicht nur nach außen hin als Ebenbürtige gaben, sondern auch als solche miteinander redeten. »Vergeltungswünsche, Herrin? Welchen Sinn hat es, diese zu empfinden?«
    Sie ergriff meine Hand und hielt sie einen Augenblick lang fest, dann drückte sie sie, so wie sie es beim Tanz gemacht hatte, und danach schob sie den Arm unter meinen, eine Handlungsweise, die aus der Mode gekommen und bei der höflichen Gesellschaft sogar verpönt war und nicht wenige Blicke auf sich zog. Zu meiner eigenen Überraschung fühlte ich mich eher geehrt als peinlich berührt. Es war eine Geste der Freundschaft, mehr als alles andere, aber es war auch eine Geste der Nähe und des Trostes, und in diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, der am meisten begünstigte Mann im ganzen Palast zu sein, ungeachtet Geburt, Titel, Rang oder gesellschaftlicher Stellung.
    »Ach! Ich werde ermordet! Ermordet! Hilfe! Hilfe! Ermordet!«
    Die Stimme schallte über den Balkon. Alle erstarrten, wie zu Statuen gefroren, und wandten sich dann zu einer hohen Tür um, die aus einem

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