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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Geschosse des Mausoleums. Das geschah, und natürlich war Munnosh nicht da, und der Geheimgang wurde entdeckt.
    Der Kaiser befahl dem König, seinen Baumeister in die kaiserliche Hauptstadt zu schicken. Der König weigerte sich zunächst und forderte noch etwas Zeit, weil seine Festungsanlagen noch nicht fertig waren und sich die Wilden aus den Ödlanden als hartnäckiger und besser organisiert erwiesen, als er gedacht hatte, doch der Kaiser, der jetzt dem Tod noch näher war, bestand auf seiner Forderung, und schließlich gab der König klein bei und schickte den Architekten Munnosh widerstrebend in die Hauptstadt. Die Familie des Architekten reagierte auf seine Abreise genauso, wie sie damals auf die falsche Nachricht von seinem Tod reagiert hatte, vor so vielen Jahren.
    Als der Kaiser Munnosh sah und in ihm seinen ehemaligen Höchsten Kaiserlichen Hofarchitekten erkannte, rief er: ›Munnosh, verräterischer Munnosh! Warum habt Ihr mich und Eure größte Schöpfung verlassen?‹
    ›Weil Ihr mich darin habt einmauern lassen und mich dem Tod preisgegeben habt, mein Kaiser‹, antwortete Munnosh.
    ›Das geschah nur, um die Sicherheit Eures Kaisers zu gewährleisten und Euren eigenen guten Namen zu bewahren‹, erklärte der alte Tyrann Munnosh. ›Ihr hättet Euch mit dem Geschehen abfinden und Eure Familie Euch in Anstand und Frieden betrauern lassen müssen. Statt dessen führtet Ihr sie bei Nacht und Nebel ins Exil und habt damit nur erreicht, daß sie jetzt ein zweites Mal um Euch trauern müssen.‹
    Nachdem der Kaiser diese Worte ausgesprochen hatte, fiel Munnosh auf die Knie und begann zu weinen und den Kaiser um Vergebung anzuflehen. Der Kaiser streckte eine dünne, zitternde Hand aus, lächelte und sagte: ›Aber das braucht Euch nicht zu bekümmern, denn ich habe meine fähigsten Meuchelmörder zu Eurer Frau und Euren Kindern und Euren Enkeln geschickt, um sie alle zu töten, bevor sie etwas von Eurer Schande und Eurem Tod erfahren können.‹
    Nach diesen Worten machte Munnosh, der einen Maurermeißel unter seinem Gewand versteckt hatte, einen Satz nach vorn und versuchte, den Kaiser niederzustrecken, indem er mit dem Meißel direkt auf die Kehle des alten Mannes zielte.
    Statt dessen wurde jedoch Munnosh niedergestreckt, bevor er seinen Schlag landen konnte, und zwar vom Obersten Leibwächter, der seinem Herrn niemals von der Seite wich. Der Mann, der einst Höchster Kaiserlicher Hofarchitekt gewesen war, landete tot zu Füßen des Kaisers; sein Kopf war mit einem einzigen schrecklichen Hieb durch das Schwert des Leibwächters vom Leib getrennt worden.
    Doch der Oberste Leibwächter schämte sich so sehr, weil Munnosh dem Kaiser mit einer Waffe so nahe gekommen war, und außerdem war er so abgestoßen von der Grausamkeit, mit der der Kaiser die unschuldige Familie des Architekten heimzusuchen beabsichtigte – was nur der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen brachte, denn er war ein Leben lang Zeuge der Grausamkeiten des alten Tyrannen gewesen –, daß er zuerst den Kaiser und dann sich selbst tötete, und zwar mit zwei weiteren kräftigen Hieben seines mächtigen Schwerts, bevor irgend jemand Anstalten machen konnte, ihn an seinem Tun zu hindern.
    Dem Kaiser wurde sein Wunsch erfüllt, in dem großen palastartigen Mausoleum zu sterben, das er sich hatte bauen lassen. Ob es ihm gelang, den Tod zu betrügen oder nicht, wissen wir nicht, aber es ist eher unwahrscheinlich, da der Kaiser sehr bald nach seinem Tod zerfiel und das riesige Monument, das er unter so hohen Kosten, daß sein Reich noch lange darunter litt, hatte bauen lassen, innerhalb desselben Jahres vollkommen geplündert wurde und bald dem Verfall anheimfiel, so daß es jetzt nur noch als willkommene Quelle für behauene Steine für die Stadt Haspide genutzt wird, die ein paar Jahrhunderte später auf derselben Insel gegründet wurde, an der Stelle, die heute Kratersee heißt, im Königreich Haspidus.«
    »Was für eine Erzählung! Aber was geschah mit Munnoshs Familie?« wollte die Dame Perrund wissen. Die Dame Perrund war einst die Erste Konkubine des Protektors gewesen. Sie blieb eine hochgeschätzte Gefährtin im Hause des Generals, und man wußte, daß er sie immer noch gelegentlich aufsuchte.
    Der Leibwächter DeWar hob die Schultern. »Das wissen wir nicht«, antwortete er. »Das Reich zerfiel, die Könige kämpften gegeneinander, die Barbaren griffen von allen Seiten an, Feuer fiel vom Himmel, und es folgte ein düsteres

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