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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Zeitalter, das viele Jahrhunderte lang dauerte. Wenige historische Einzelheiten sind über den Untergang der minder bedeutenden Königreiche bekannt.«
    »Aber dürfen wir hoffen, daß die Meuchelmörder vom Tod des Königs hörten und daraufhin ihre Mission nicht ausführten? Oder daß sie vom Chaos des Zerfalls des Reiches übermannt wurden und sich um ihre eigene Sicherheit kümmern mußten? Wäre das nicht wahrscheinlich?«
    DeWar blickte der Dame Perrund in die Augen und lächelte. »Sehr wahrscheinlich, edle Dame.«
    »Gut«, sagte sie, schlug einen Arm über den anderen und setzte sich wieder in die richtige Stellung, um sich über das Spielbrett zu beugen. »Dann werde ich mich dafür entscheiden, dieses zu glauben. Jetzt können wir uns wieder unserem Spiel zuwenden. Ich war am Zug, glaube ich.«
    DeWar lächelte, als er beobachtete, wie die Dame Perrund die zur Faust geballte Hand zum Mund hob. Ihr Blick, unter langen seidigen Wimpern, huschte in diese und jene Richtung über das Spielbrett, ruhte für ein paar Augenblicke auf einer bestimmten Spielfigur und schweifte dann weiter.
    Sie trug das lange, schlichte rote Tagesgewand der älteren Damen am Hof, eine der wenigen Moden, die das Protektorat vom früheren Königreich übernommen hatte, welches der Protektor und seine Mitgeneräle im Erbfolgekrieg zu Fall gebracht hatten. Man ging am Hof allgemein davon aus, daß der Status einer Seniorin der Dame Perrund sich mehr auf die Intensität ihrer früherer Dienste für den Protektor UrLeyn begründete denn auf ihr körperliches Alter; sie stand im Ruf, die höchst favorisierte Konkubine eines Mann zu sein, der sich bis jetzt noch keine Frau erwählt hatte –, und darauf war sie immer noch außerordentlich stolz.
    Es gab noch einen anderen Grund für ihre Beförderung in den Rang Verdienstvoller Höflinge, und das Zeichen dafür war das zweite Rangabzeichen, das sie trug, die Schlinge – ebenfalls rot –, die ihren verkrüppelten linken Arm hielt.
    Die Dame Perrund, das konnte jeder am Hof bestätigen, hatte im Dienst ihres geliebten Generals mehr von sich selbst eingebracht als jede andere seiner Frauen, indem sie die Brauchbarkeit einer Gliedmaße geopfert hatte, um ihn vor der Klinge eines Meuchelmörders zu schützen, wobei sie beinahe ihr Leben eingebüßt hätte, denn derselbe Schnitt, der Muskeln und Sehnen durchtrennt und Knochen gebrochen hatte, hatte auch eine Arterie geöffnet, und sie war nahe daran gewesen zu verbluten, während UrLeyn schnellstens von seinen Leibwächtern aus dem Handgemenge weggebracht und der Mörder überwältigt und entwaffnet wurde.
    Der verkrüppelte Arm war ihr einziger Schönheitsfehler, auch wenn es ein schrecklicher war. Ansonsten war sie so groß und blond wie jede Märchenprinzessin, und die jüngeren Frauen des Harems, die sie beim Baden nackt sahen, beäugten ihre goldbraune Haut auf der vergeblichen Suche nach offensichtlichen Anzeichen des nahenden Alters. Ihr Gesicht war breit – zu breit, fand sie, deshalb umrahmte sie es sorgsam mit ihrem langen blonden Haar, um es schlanker erscheinen zu lassen, wenn sie keine Kopfbekleidung trug, und wählte Kopfbekleidungen, die denselben Zweck erfüllten, wenn sie sich in der Öffentlichkeit sehen ließ. Ihre Nase war schmal und ihr Mund auf den ersten Blick unauffällig, bis sie lächelte, was sie häufig tat.
    Ihre Pupillen waren gold und blau gesprenkelt, und ihre Augen waren groß und weit offen und irgendwie unschuldig. Sie konnten bei Beleidigungen und wenn man ihr Geschichten voller Grausamkeit und Schmerz erzählte, schnell verletzt aussehen, aber ein solcher Gesichtsausdruck war wie ein Sommergewitter – schnell vorbei und sofort abgelöst von einer vorherrschenden, maßvollen Fröhlichkeit. Sie erweckte den Eindruck, als gewänne sie dem Leben im allgemeinen eine beinahe kindliche Freude ab, die nie weit davon entfernt war, sich im Funkeln dieser Augen zu verkörpern, und Leute, die glaubten, sich mit solchen Dingen auszukennen, behaupteten, sie für die einzige Person am Hof zu halten, deren Augen sich in ihrer Ausstrahlungen mit denen des Protektors selbst messen konnten.
    »Da«, sagte sie gleichmütig, schob eine Spielfigur über das Brett in DeWars Bereich und lehnte sich zurück. Ihre unversehrte Hand massierte die verkrüppelte, die in der roten Schlinge lag, reglos und reaktionslos. DeWar fand, sie sah aus wie die Hand eines kranken Kindes; sie war so blaß und dünn und die Haut beinahe

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