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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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von hinten zum Marktplatz und weiter in Richtung Blasentor, wo uns lange Schatten entgegenkamen. Wir betraten den Palast. Die Ärztin bezahlte die Straßenjungen, und einige Diener wurden herbeigerufen, um mir beim Ausladen der Tongefäße, Körbe und Kisten zu helfen und sie in unsere Wohnung hinaufzutragen. Ich schleppte mich mit einem runden Tongefäß ab, das, wie ich wußte, mit Säure gefüllt war, und ärgerte mich bei der Vorstellung, daß ich in denselben Räumen mit diesem Behältnis und seinen Kameraden würde wohnen müssen. Die Ärztin sprach davon, daß sie sich einen Herd mit Kamin auf Arbeitsplatzhöhe einrichten lassen wollte, damit die giftigen Abgase besser entweichen konnten, dennoch befürchtete ich, daß ich die nächsten paar Monde mit triefenden Augen und schmerzender Nase würde herumlaufen müssen, ganz zu schweigen von meinen Händen, die mit winzigen Verbrennungen gesprenkelt, und meiner Kleidung, die von stecknadelkopfgroßen Löchern perforiert wären.
    Wir erreichten die Wohnung der Ärztin genau zu Xamis’ Untergang. Die Fässer und Tongefäße und so weiter wurden in den Räumen verteilt, den Dienern wurde mit ein paar Münzen gedankt, und die Ärztin und ich zündeten die Lampen an und machte uns ans Auspacken all der ungenießbaren und giftigen Mittel, die wir dem Meister Chelgre abgekauft hatten.
    Kurz nach der siebten Stunde wurde an der Tür geklopft. Ich öffnete sie und sah mich einem Diener gegenüber, den ich nicht kannte. Er war größer und etwas älter als ich.
    »Oelph?« sagte er grinsend. »Hier. Eine Nachricht vom W.K.« Er schob mir ein versiegeltes Blatt Papier, adressiert an Doktor Vosill, in die Hand.
    »Für wen?« fragte ich, aber er hatte bereits kehrtgemacht und rannte durch den Korridor davon. Ich zuckte die Achseln.
    Die Ärztin las die Notiz. »Ich soll mich zum Wachkommandanten und zu Herzog Ormin in den Palastflügel, in dem üblicherweise die Bittsteller empfangen werden, begeben«, sagte sie seufzend, wobei sie sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. Sie ließ den Blick über die zur Hälfte unausgepackten Behältnisse gleiten. »Würde es dir etwas ausmachen, den Rest hier zu erledigen?«
    »Natürlich nicht, Herrin.«
    »Ich glaube, es ist offensichtlich, wohin du die einzelnen Dinge räumen mußt. Gleiches zu gleichem. Wenn dir irgend etwas nicht bekannt ist, laß es einfach am Boden stehen. Ich versuche, nicht allzulange wegzubleiben.«
    »Sehr wohl, Herrin.«
    Die Ärztin knöpfte ihr Hemd bis zum Hals zu, schnupperte in einer ihrer Achselhöhlen (das gehörte zu denjenigen ihrer Angewohnheiten, die ich undamenhaft und sogar unangenehm fand, an die ich mich jetzt aber voll schmerzlicher Sehnsucht erinnere), dann zuckte sie die Achseln, warf sich eine kurze Jacke über und ging zur Tür. Sie öffnete sie, dann kam sie zurück, betrachtete das Durcheinander von Stroh, Bretterkisten, Zwirn und Sackleinen, das am Boden verstreut herumlag, nahm ihren alten Dolch, den sie zum Durchschneiden oder vielmehr -sägen des Zwirns um die Kisten und Körbe herum benutzt hatte, und steckte ihn in den Stiefel. Dann ging sie pfeifend davon. Die Tür fiel ins Schloß.
    Ich weiß nicht, was mich veranlaßte, einen Blick auf die Notiz zu werfen, mit der man sie gerufen hatte. Sie hatte sie oben auf einer geöffneten Kiste liegenlassen, und während ich das Stroh aus einer anderen, in der Nähe stehenden Kiste zog, lockte mich ständig das zusammengefaltete cremefarbene Stück Papier. Schließlich, nachdem ich einen Blick zur Tür geworfen hatte, hob ich die Nachricht auf und setzte mich, um sie zu lesen. Es stand nicht viel mehr darin als das, was die Ärztin mir erzählt hatte. Ich las sie noch einmal.
    ›D. Vosill möchte freundlicherweise H. Ormin und W. K. Adlain im Bittstellerflügel anläßlich eines privaten Empfangs treffen. D.V.m.d.K.s., gez. Adlain.‹
    Die Vorsehung möge den König schützen, in der Tat. Ich betrachtete das letzte Wort eine Zeitlang. Der Name am Ende der Notiz lautete Adlain, aber die Schrift glich nicht der seinen, die ich kannte. Natürlich war die Notiz wahrscheinlich diktiert worden oder von Epline, Adlaines Pagen, nach Anweisung seines Herrn verfaßt und geschrieben worden. Aber ich glaubte auch dessen Schrift zu kennen, und das hier war sie nicht. Ich kann nicht für mich in Anspruch nehmen, daß ich weitergedacht und tiefergehende Überlegungen angestellt hätte.
    Ich könnte jede Menge Gründe für das, was ich als nächstes tat,

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