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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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an.
    Herzog Ormin lag reglos auf dem Rücken am Boden, in einer riesigen Pfütze aus dunklem Blut. Man hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Ein dünner, abgeflachter Metallschaft ragte ihm oberhalb des Herzens aus der Brust. Der flache Metallschaft war der Griff eines dünnen Messers aus Metall. Ich erkannte es. Es war eines der Skalpelle der Ärztin.
     
    Ich glaube, ich war eine Zeitlang sprachlos. Und ich glaube, ich war auch gehörlos. Die Ärztin schrie die Männer an. Dann sah sie mich und schrie mich an, aber ich verstand nicht, was sie schrie. Ich wäre zu Boden gefallen, wenn ich nicht durch den Halsgriff der beiden Wachmänner, die mich festhielten, gehalten worden wäre. Einer der Wachmänner kniete am Boden neben der Leiche. Er mußte am Kopf des Herzogs knien, um der sich immer noch ausbreitenden Pfütze am Holzboden zu entgehen. Er öffnete eines der Augen des Herzogs Ormin.
    Ein Teil meines Gehirns, der noch funktionierte, sagte mir, daß dies ein törichtes Unterfangen war, wenn er nach einem Lebenszeichen suchte, in Anbetracht der Menge Blut, die sich über den Boden ergossen hatte, und des ziemlich festsitzenden Schaftes eines Skalpells, der aus der Brust des Herzogs ragte.
    Die Wachmänner sagten etwas. Ich meine, es war so etwas wie ›Tod‹ oder ähnliches, aber ich kann mich nicht erinnern.
    Dann waren auf einmal noch mehr Wachmänner im Raum, bis er ziemlich voll war und ich die Ärztin nicht mehr sehen konnte.
    Wir wurden abgeführt. Ich konnte immer noch nicht richtig hören und hatte auch meine Stimme noch nicht wiedergefunden; diese Fähigkeiten stellten sich erst wieder ein, als wir an unserem Ziel ankamen, wieder im Hauptpalast, in der Folterkammer, wo der Verhörmeister von Herzog Quettil, Ralinge, auf uns wartete.
    Meister, da wußte ich, daß Ihr mich im Stich lassen müßt. Vielleicht war es nicht vorgesehen, daß ich im Stich gelassen werden sollte, gemäß dem ursprünglichen Plan, denn in dieser Notiz, die angeblich von Euch stammte, stand ausdrücklich das Wort ›privat‹, was besagte, daß die Ärztin allein kommen und mich nicht mitnehmen sollte, deshalb kann ich glauben, daß ich an den Vergehen, welche auch immer man der Ärztin zur Last legen würde, unschuldig bleiben sollte. Aber ich war ihr gefolgt, und ich hatte nicht daran gedacht, irgend jemandem von meinen Ängsten zu erzählen.
    Ich hatte auch nicht daran gedacht, meinen Boden zu behaupten, als der Mann, der der wirkliche Mörder von Herzog Ormin sein mußte, durch den Flur polterte, direkt auf mich zu. Nein, statt dessen hatte ich die Flucht ergriffen, indem ich die Stufen hinuntergesprungen war und mich in dem Schrank versteckt hatte. Selbst als der Kerl gegen die Schranktür geknallt war, hatte ich mich an die Schrankbretter zurückgedrückt, in der Hoffnung, daß er nicht ins Innere blicken und mich entdecken würde. Ich hatte also selbst meinen Niedergang mit herbeigeführt, wie mir klar wurde, als ich gegen meinen Widerstand in den Raum gebracht wurde, wo die Ärztin und ich zuletzt in jener Nacht gewesen waren, als wir von Meister Nolieti gerufen worden waren.
    Die Ärztin war in diesem Augenblick großartig.
    Sie ging hoch aufgerichtet, den Rücken gestrafft, den Kopf erhoben. Ich mußte gezogen werden, denn meine Beine hatten den Dienst vollkommen aufgegeben. Insgeheim denke ich, wenn ich die erforderliche Schlauheit besessen hätte, dann hätte ich geschrien und um mich geschlagen, aber ich war wie gelähmt. Im stolzen Gesicht der Ärztin war ein Ausdruck von Resignation und Niederlage, jedoch nicht von Panik oder Angst. Ich gab mich keinen Augenblick lang der Täuschung hin, daß ich äußerlich auch nur im geringsten anders erschien, als ich mich innerlich fühlte, nämlich zitternd und bebend vor jämmerlichem Entsetzen, die Gliedmaßen wie Gelee.
    Muß ich beschämt sein, wenn ich verrate, daß ich meine Kniehose beschmutzte? Ich glaube nicht. Meister Ralinge war ein anerkannter Virtuose des Schmerzes.
    Die Folterkammer.
    Sie kam mir sehr hell erleuchtet vor. Die Wände waren gespickt mit Fackeln und Kerzen. Anscheinend zog Meister Ralinge es vor zu sehen, was er tat. Nolieti hatte eine dunklere und bedrohlichere Atmosphäre vorgezogen.
    Ich bereitete mich bereits darauf vor, die Ärztin und ihre gesamten Werke zu denunzieren. Mein Blick fiel auf das Streckgestell, den Käfig, das Säurebad, das Kohlebecken, das Bett, die Schürhaken und Zangen und den ganzen Rest der Ausrüstung, und meine Liebe,

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