Inversionen
Stunden lang an Lattens’ Bett und besuchte den Harem nur sporadisch, wobei er sich oftmals mit den älteren Konkubinen unterhielt, vor allem mit der Dame Perrund.
DeWar spürte einen feuchten Fleck auf seinem Kissen, wo seine Wange während der Nacht gelegen hatte. Er drehte sich zur Seite und berührte gedankenverloren die Falte in der Kopfstütze, auf die er während der Nacht gesabbert haben mußte. Wie würdelos wir im Schlaf werden, dachte er und rieb das feuchte Dreieck aus Stoff zwischen den Fingern. Vielleicht hatte er im Schlaf daran genuckelt, dachte er. Machte man so etwas? Machten die Menschen so etwas? Vielleicht Kinder…
Er sprang aus dem Bett, zog seine Hose an, wobei er sich mit einem Bein verhedderte und fluchte, band sich den Schwertgürtel um die Taille und griff nach seinem Hemd, während er gleichzeitig die Tür aufstieß und durch die frühmorgendlichen Schatten seines kleinen Zimmers und hinaus in den Flur rannte, wo Diener, die soeben die Kerzen ausgelöscht hatten, ihn verdutzt anstarrten. Er rannte schnell, und seine bloßen Füße tapsten auf den Holzdielen. Er zog sich im Laufen das Hemd an, so gut es ging.
Er suchte einen Wachmann, um ihn aufzufordern, ihm zu folgen, aber es war nirgends einer zu sehen. Als er um eine Ecke bog, die ihn zu Lattens’ Krankenzimmer führen würde, prallte er gegen eine Dienerin, die ein Frühstückstablett trug, woraufhin das Mädchen und das Tablett zu Boden polterten. Er rief eine Entschuldigung zurück.
Vor Lattens’ Tür war eine Wache postiert, schlafend auf einem Stuhl zusammengesunken. DeWar stieß mit dem Fuß gegen ein Stuhlbein und schrie den Mann an, während er durch die Tür stürmte.
Das Kindermädchen, das am Fenster saß und las, blickte auf. Sie betrachtete mit weitaufgerissenen Augen DeWars nackte Brust, die von dem halb zugeknöpften Hemd enthüllt wurde. Lattens lag in seinem Bett. Ein Waschbecken und ein Tuch lagen auf dem Tisch am Kopfende. Das Kindermädchen schien ein wenig in sich zurückzuschrumpfen, als DeWar durch den Raum zu Lattens’ Bett schritt. DeWar hörte, wie der Wachmann hinter ihm den Raum betrat. Er wandte kurz den Kopf um und sagte: »Haltet sie fest!« Dabei nickte er zu dem Kindermädchen hin, das zusammenzuckte. Der Wachmann ging unsicher zu der Frau.
DeWar stellte sich neben Lattens’ Bett. Er berührte seinen Hals und spürte einen schwachen Puls. Die Faust des Jungen hielt den blaßgelben Stoffstreifen umklammert, der sein Seelentröster und Schnullerersatz war. DeWar nahm ihn ihm so sanft wie möglich aus der Hand, wobei er sich zu dem Kindermädchen umdrehte und es beobachtete. Der Wachmann stand neben ihr, mit einer Hand ihr Gelenk umklammernd.
Die Augen des Kindermädchens wurden immer größer. Ihr freier Arm schlug wie ein Dreschflegel gegen den Wachmann, der sie weiterhin festhielt und dem es schließlich gelang, ihn zu packen und sie unter Kontrolle zu bringen. Sie versuchte, sich mit Fußtritten zu befreien, aber er wirbelte sie herum und drehte ihr gewaltsam den Arm auf den Rücken, bis sie vornüberfiel und schrie, das Gesicht auf Höhe der Knie.
DeWar untersuchte das angenuckelte Ende des Schnullertuchs, während der Wachmann ihn verständnislos beobachtete und die Frau japste und weinte. DeWar saugte versuchsweise an dem Stück Stoff. Es schmeckte nach etwas. Es war ein wenig süß und gleichzeitig beißend. Er spuckte auf den Boden, dann ließ er sich auf ein Knie nieder, so daß er in das gerötete Gesicht des Kindermädchens blicken konnte. Er hielt das Schnullertuch der Frau vors Gesicht.
»Ist das die Methode, mit der der Junge vergiftet wird, Madame?« fragte er leise.
Die Frau schielte auf das Stück Stoff. Tränen und Rotz trieften von ihrer Nase herab. Ihre Kiefer spannten sich und entspannten sich. Nach einigen Augenblicken nickte sie.
»Wo ist die Lösung?«
»U… unter dem Sitz am Fenster«, sagte das Kindermädchen mit bebender Stimme.
»Haltet sie da fest«, wies DeWar den Wachmann ruhig an. Er ging zum Fenster und warf die Kissen aus dem Sitz in den freien Raum der Wandnische, zog eine Holzlade auf und griff hinein. Er warf Spielzeuge und ein paar Kleider zur Seite, bis er ein kleines trübes Glas fand. Er brachte es zu dem Kindermädchen.
»Ist es das?«
Sie nickte.
»Woher stammt es?«
Sie schüttelte den Kopf. Er brachte sein langes Messer zum Vorschein. Sie schrie auf, dann zappelte und wand sie sich im Griff des Wachmanns, bis er sie noch fester
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