Inversionen
sie habe sich tatsächlich entschlossen, das Schiff zu verlassen und hierzubleiben, bei mir zu bleiben, diese ganze scheinbare Abreise sei nur ein bis zum Irrsinn ausgeweiteter Scherz, und beim Verlassen des Schiffes habe sie zum Spaß beschlossen, sich zu verkleiden, nur um mich weiter zu peinigen.
Die Galeone glitt ins Meer hinaus, ohne daß ich es so richtig bemerkte; die Kutter schaukelten durch die Wellen zurück, während sie jenseits der Hafenmauer die cremefarbenem Segelfelder ausbreitete und den Wind einfing.
Danach strömten die Leute weg vom Kai, bis dort nur noch ein paar schluchzende Frauen übrig waren; eine stand da und hielt sich selbst umfangen, das Gesicht vollkommen bedeckt von ihren Händen, die andere kauerte am Boden, das Gesicht erhoben, um mit leeren Augen zum Himmel hinaufzustarren, während ihre Tränen ihre Bahn über ihre Wangen zogen.
… und ich, der hinausstarrte durch die Lücke zwischen den Leuchttürmen des Hafens zu der fernen Linie, die die zerklüfteten Umrisse von Kratersee war. Und da stand ich, und wanderte, erstarrt und schwankend, schüttelte den Kopf und murmelte vor mich hin, und machte mehrmals den Ansatz wegzugehen, schaffte es aber nicht, und deshalb ließ ich mich wieder zum Kai treiben, bestürmt vom verräterischen Glitzern des Wassers, das es zugelassen hatte, daß sie von mir wegglitt, durchgerüttelt vom Wind, der sie auf ihrer Reise weiter weg blies mit jedem Schlag ihres und meines Herzens, und begleitet von den schrillen Schreien der Seevögel, die ihre Runden drehten, und dem leisen und hoffnungslosen Schluchzen von Frauen.
24. Kapitel
Der Leibwächter
Der Leibwächter DeWar erwachte aus einem Traum, in dem er geflogen war. Er lag ein paar Augenblicke in der Dunkelheit da, bis er vollkommen wach war und ihm wieder einfiel, wo er war, wer er war, was er war und was geschehen war.
Das Wissen um all das, was in jüngster Zeit so sehr schiefgelaufen war, legte sich auf ihn wie ein Dutzend Schichten eines Kettenpanzers, nacheinander auf sein Bett geworfen. Er stöhnte sogar ein wenig, als er sich auf dem schmalen Feldbett umdrehte und mit einem Arm unter dem Hinterkopf dalag und in die Schwärze hinaufstarrte.
Der Krieg in Ladenscion war verloren. So einfach war das. Die Barone hatten alles erhalten, was sie verlangt hatten, und noch mehr, indem sie es sich genommen hatten. Die Herzöge Simalg und Ralboute befanden sich mit ihren angeschlagenen und entmutigten Resten ihrer Streitkräfte auf dem Rückweg.
Lattens war dem Tod ein Stück näher gerückt; was immer sein Leiden war, es erwies sich als resistent gegen jedes Mittel, zu dem die Ärzte rieten.
UrLeyn hatte erst tags zuvor noch einen Kriegsrat einberufen, nachdem das volle Ausmaß der Katastrophe in Ladenscion durch ein Gewirr von Berichten und verschlüsselten Botschaften offenkundig geworden war, doch er hatte die ganze Zeit über auf die Tischplatte gestarrt und allenfalls einsilbige Bemerkungen von sich gegeben. Er wurde etwas lebhafter und zeigte einen kleinen Funken seines alten Wesens, als er Simalg und Ralboute als die Schuldigen an dem Debakel verdammte, aber selbst diese Tirade wirkte gegen Ende matt und gezwungen, als ob er nicht einmal seinen Ärger aufrechterhalten könnte.
Man kam zu dem Schluß, daß wenig getan werden konnte. Die Streitkräfte würden zurückkehren, und die Verwundeten mußten versorgt werden. Zu diesem Zweck mußte ein neues Krankenhaus errichtet werden. Die Armee würde auf ein Minimum begrenzt werden, gerade ausreichend, um Tassasen zu verteidigen. Es hatte bereits Unruhen auf den Straßen einiger Städte gegeben, als Menschen, die in der Vergangenheit über die erhöhten Steuern, die für den Krieg benötigt wurden, nur gemurrt hatten, ihrem Unmut freien Lauf ließen, als sie erfuhren, daß alles umsonst gewesen war. Die Steuern müßten gesenkt werden, um die Leute friedlich zu halten, und deshalb mußten mehrere Projekte verschoben oder ganz aufgegeben werden. Irgendwann würde man in Verhandlungen mit den siegreichen Baronen einsteigen müssen, um die Dinge zu regeln, nachdem sich die Situation stabilisiert hatte.
UrLeyn nickte zu jedem Thema, offensichtlich an allem desinteressiert. Sollten sich die anderen darum kümmern. Er hatte den Kriegsrat verlassen, um ans Bett seines Sohnes zurückzukehren.
UrLeyn erlaubte noch immer keinen Bediensteten, seine Gemächer, wo er die meiste Zeit verbrachte, zu betreten. Er saß jeden Tag etwa eine oder zwei
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