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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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gerunzelte.
    »Eine Salbe, Herr.«
    »Ich sehe, daß es eine Salbe ist, Vosill. Was bewirkt sie… Oh!«
    »Wie Ihr spürt, Herr, dämpft sie den Schmerz. Außerdem bekämpft sie die krankheitserregenden Partikel in der Luft und beschleunigt den Heilungsprozeß.«
    »Ist das etwas Ähnliches wie das Zeug, das Ihr mir damals aufs Bein geschmiert habt, auf den Abszeß?«
    »Jawohl, Herr. Welch hervorragendes Gedächtnis Euer Majestät haben! Das war das erste Mal, daß ich Euch behandelt habe, glaube ich.«
    Der Blick des Königs fiel auf sein Ebenbild in einem der großen Spiegel, mit denen seine Privatgemächer ausgestattet waren, und er straffte seine Haltung. Er sah zu dem Lakaien an der Tür hinüber, der zu ihm kam und ihm den Weinkelch abnahm, dann hob der König das Kinn, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schüttelte den Kopf so, daß seine Locken, die durch den Schweiß unter der Duellhalbmaske flachgedrückt worden waren, wieder frei aufsprangen.
    »Stimmt«, sagte er und begutachtete seine edlen Umrisse im Spiegel. »Ich war damals in einem schlimmen Zustand, soweit ich mich erinnere. All die Bauchaufschneider dachten, ich würde sterben.«
    »Ich war sehr froh, daß Euer Majestät nach mir schicken ließen«, sagte die Ärztin ruhig, während sie die Wunde verband.
    »Mein Vater ist an einem Abszeß gestorben, wißt Ihr«, erklärte der König der Ärztin.
    »Das habe ich gehört, Herr.« Sie lächelte ihn an. »Aber Ihr seid nicht daran gestorben.«
    Der König lächelte ebenfalls und sah geradeaus. »Nein. Stimmt.« Dann verzog er das Gesicht. »Aber andererseits litt er auch nicht unter meinen verdrehten Därmen oder meinen Rückenschmerzen oder meinen anderen Beschwerden.«
    »Es ist in der Tat nichts davon überliefert, daß er jemals etwas Derartiges erwähnt hätte, Herr«, sagte die Ärztin und wickelte den Verband Runde um Runde um den muskulösen Arm des Königs.
    Er sah sie scharf an. »Wollt Ihr damit sagen, ich sei ein Jammerer, Doktor?«
    Die Ärztin blickte überrascht auf. »Aber nein, Herr. Ihr ertragt Eure vielen leidigen Krankheiten mit großer Tapferkeit.« Sie wickelte weitere Verbandslagen von der Rolle ab. (Die Ärztin läßt sich ihre Verbände eigens für ihren Gebrauch vom Hofschneider anfertigen und besteht auf der Sauberkeit der Bedingungen, unter denen sie gefertigt werden. Trotzdem kocht sie sie vor Gebrauch in bereits vorgekochtem Wasser, das sie mit einem Bleichmittel versetzt, welches sie ebenfalls speziell anfertigen läßt, und zwar vom Palastapotheker.) »Wirklich, man muß Euer Majestät dafür rühmen, daß Ihr so offen über eure Beschwerden redet«, erklärte die Ärztin. »Manche Leute – die Stoizismus, Mannesstolz oder schlicht Verschwiegenheit über das angemessene Maß bewerten –, leiden schweigend bis an die Schwelle des Todes und überschreiten diese dann schnell, während ein Wort, ein Hinweis auf bestimmte Beschwerden zu einem viel früheren Zeitpunkt einem Arzt die Diagnose und Behandlung ihrer Krankheit und ihnen somit das Weiterleben ermöglicht hätte. Schmerz, oder auch nur Unbehagen, ist wie eine Warnung, ausgesandt von einer Frontwache, Herr. Es steht jedem frei, sie in den Wind zu schlagen, aber man sollte nicht übermäßig überrascht sein, wenn man in der Folge von Angreifern überrannt wird.«
    Der König stieß ein kurzes Lachen aus und betrachtete die Ärztin mit einem duldsamen, freundlichen Ausdruck. »Euer vorsichtiges militärisches Gleichnis weiß ich angemessen zu schätzen, Doktor.«
    »Danke, Herr.« Die Ärztin prüfte den ordentlichen Sitz des Verbandes am Arm des Königs. »Ich fand eine Notiz an meiner Tür vor, die besagte, daß Ihr mich sehen wollt, Herr. Ich nehme an, worum immer es dabei gegangen sein mochte, lag vor eurer Fechtverletzung.«
    »Oh«, sagte der König. »Ja.« Er legte sich eine Hand ins Genick. »Mein Hals. Wieder diese Steifheit. Ihr könnt es Euch später ansehen.«
    »Natürlich, Herr.«
    Der König seufzte, und ich konnte nicht umhin zu bemerken, daß sich seine Haltung veränderte, so daß er weniger stattlich wirkte, sogar weniger königlich. »Vater hatte die Konstitution eines Zugochsen. Es wird erzählt, er habe sich einmal ein Joch angelegt und eines der armen Tiere rückwärts durch ein Reisfeld gezogen.«
    »Ich habe gehört, es sei ein Kalb gewesen, Herr.«
    »Ach ja? Immerhin, auch ein Zugkalb wiegt mehr als die meisten Männer«, entgegnete der König in scharfem Ton. »Und übrigens, wart

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