Inversionen
Schläge. »Herr! Protektor! General!« riefen ein Dutzend Stimmen durcheinander.
»Mir geht’s gut! Macht doch die verdammte Tür nicht kaputt!« rief UrLeyn. Der Tumult ließ ein bißchen nach. Er blickte zu der Stelle, wo die gemalte Gipsszene mit dem geschäftigen Stadtplatz gewesen war. In dem kleinen, schrankgroßen Raum, der dahinter freigelegt worden war, stand ein stämmiger Holzpfosten, an dem eine Armbrust befestigt war. UrLeyn sah DeWar an und schob sein kleines Messer wieder in die Tasche. »Nichts passiert, danke, DeWar. Und bei Euch?«
»Ich bin ebenfalls unverletzt, Herr. Tut mir leid, daß ich ihn töten mußte.« Er sah auf den Sterbenden hinab, der einen letzten gluckernden Seufzer ausstieß und dann ein wenig in sich selbst zusammensackte. Die Blutlache am Boden war tief und dunkel und breitete sich immer weiter aus. DeWar kniete sich nieder und hielt den Dolch an das, was von der Kehle des Mannes übrig war, während er dessen Puls fühlte.
»Macht nichts«, sagte der Protektor. »Es war gar nicht leicht, ihn umzubringen, findet Ihr nicht?« Er kicherte beinahe wie ein kleines Mädchen.
»Ich glaube, ein Teil seiner Kraft und seiner Kühnheit beruhte auf irgendeinem zusammengebrauten Gift oder einer Droge, Herr.«
»Hmm«, sagte UrLeyn, dann blickte er zur Tür. »Würdet ihr wohl still sein!« brüllte er. »Ich bin vollkommen in Ordnung, aber dieses Stück Scheiße hat versucht, mich umzubringen. Palastwache?«
»Jawohl, Herr! Fünf Mann angetreten!« rief eine gedämpfte Stimme.
»Holt Kommandant ZeSpiole. Sagt ihm, er soll den Rest der diplomatischen Gesandtschaft ausfindig machen und einsperren lassen. Verscheucht alle von dieser Tür, dann tretet ein. Niemand außer der Palastwache ist befugt, hier einzutreten, bis ich etwas anderes anordne. Alles verstanden?«
»Herr!« Der Tumult wurde für eine Weile wieder intensiver, dann ebbte er wieder ab, bis fast kein Laut mehr in das bemalte Zimmer drang.
DeWar knöpfte die Jacke des erfolglosen Meuchelmörders auf. »Kettenpanzer«, sagte er und betastete das Futter der Jacke. Er fuhr über den Kragen des Kleidungsstücks. »Und Metall.« Er griff nach dem Schaft des Armbrustbolzens, zog angestrengt, dann erhob er sich und stellte einen bloßen Fuß auf den Kopf des Botschafters Oestrile, bis er schließlich den Bolzen mit einem leisen Knirschen herausgezogen hatte. »Kein Wunder, daß der Bolzen abgelenkt wurde.«
UrLeyn trat neben das Podest. »Woher kam der Dolch? Ich habe ihn nicht gesehen.«
DeWar ging zu dem hohen Stuhl, wobei er blutige Fußabdrücke hinterließ. Er hob zuerst das Teleskop hoch und dann den Lederzylinder, in dem es transportiert worden war. Er spähte in den Behälter. »Am Boden ist so etwas wie eine Klammer.« Er untersuchte das Teleskop. »Am großen Ende ist kein Glas. Der Dolch muß in dem Gerät untergebracht gewesen sein, während es in dem Behälter steckte.«
»Herr?« kam eine Stimme von der Tür.
»Was ist denn?« schrie UrLeyn.
»Wachmann HieLiris und drei andere sind hier, Herr.«
»Herein!« forderte UrLeyn sie auf. Die Wachmänner traten ein und sahen sich wachsam um. Alle blickten überrascht zu dem Loch, wo das Stadtplatzgemälde gewesen war. »Ihr habt das nicht gesehen«, sagte der Protektor zu ihnen. Sie nickten. DeWar stand da und reinigte seinen Dolch an einem Stück Stoff. UrLeyn machte einen Schritt nach vorn und trat dem Toten gegen die Schulter, so daß er schlaff auf den Rücken rollte.
»Räumt das weg«, befahl er den Wachen. Zwei von ihnen schoben die Schwerter in die Scheiden und nahmen je ein Ende der Leiche.
»Nehmt ihn lieber jeweils an Armen und Beinen, Jungs«, wies DeWar sie an. »Die Jacke ist schwer.«
»Kümmert Euch darum, daß hier saubergemacht wird, ja, DeWar?« bat UrLeyn.
»Ich sollte eigentlich an Eurer Seite sein, Herr. Falls dies ein vorsätzlicher Angriff war, sind vielleicht zwei Mörder daran beteiligt, und der zweite wartet nur darauf, daß wir in unserer Aufmerksamkeit nachlassen, wenn wir annehmen, der Überfall sei fehlgeschlagen.«
UrLeyn zog sich hoch und holte tief Luft. »Macht Euch keine Sorgen um mich. Ich lege mich jetzt ein wenig hin«, sagte er.
DeWar runzelte die Stirn. »Seid Ihr sicher, daß Euch nichts fehlt, Herr?«
»Oh, mir geht es blendend, DeWar«, sagte der Protektor und folgte der Blutspur, während die Wachen die Leiche zur Tür trugen. »Ich lege mich jetzt auf etwas sehr Junges und Molliges und Festes.« Er grinste von der
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