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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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macht sich Sorgen, daß sein Vater der kräftigere von ihnen beiden war und früh gestorben ist. Aber Ihr werdet ihn bei Gesundheit halten, nicht wahr?«
    »Wie bitte? Ja, ja, natürlich.«
    »Oh! Ihr habt Euch doch nicht etwa Sorgen meinetwegen gemacht, oder?« (Und ich gestehe, mein Herz machte einen kleinen Satz in meiner heißen und atemlosen Brust, denn welcher junge Mann wäre nicht angetan von der Vorstellung, daß eine gute und hübsche Frau, besonders eine, die sich zu diesem Zeitpunkt auf eine so intime Weise seiner körperlichen Bedürfnissen annimmt, sich um ihn sorgt und sich Gedanken seinetwegen macht?) »Keine Angst«, sagte ich und streckte die Hand aus. »Ich werde nicht sterben.« Sie machte ein unsicheres Gesicht, deshalb fügte ich hinzu: »Oder doch?«
    »Nein, Oelph«, sagte sie und lächelte freundlich.
    »Nein, du wirst nicht sterben. Du bist jung und stark, und ich kümmere mich um dich. Noch einen halben Tag, dann wirst du allmählich wieder der alte sein.« Sie sah auf die Hand hinab, die ich ihr hingestreckt hatte und die, wie mir jetzt klar wurde, auf ihrem Knie lag. Ich schluckte.
    »Ach, Euer alter Dolch«, sagte ich, nicht so fieberig, daß ich kein Gefühl für Peinlichkeit hatte. Ich tippte auf den Knauf des alten Messers, der oben aus dem Stiefel der Ärztin herausragte, in der Nähe der Stelle, wo meine Hand geruht hatte. »Er hat mich schon immer – äh – fasziniert. Was für ein Messer ist das? Mußtet Ihr jemals Gebrauch davon machen? Ich wage anzunehmen, daß es sich nicht um ein chirurgisches Werkzeug handelt. Dafür sieht es zu stumpf aus. Oder ist es irgendein feierliches Unterpfand? Was…?«
    Die Ärztin lächelte und legte mir die Hand auf die Lippen, um mich zum Schweigen zu bringen. Sie griff nach unten und zog den Dolch aus dem Schaft ihres Stiefels, um ihn mir zu reichen. »Hier«, sagte sie. Ich nahm das schartig aussehende Stück in die Hand. »Ich würde dich ermahnen, vorsichtig zu sein«, sagte sie, »aber ich weiß, daß dem die Spitze fehlt.«
    »Keine besonders scharfe Schneide«, sagte ich und fuhr mit dem schwitzenden Daumen darüber.
    Die Ärztin lachte laut. »Na ja, Oelph, das sollte ein Wortspiel sein«, sagte sie und klopfte mir dabei liebevoll auf die Schulter. »Und zwar eines, das in vielen Sprachen funktioniert. Du mußt darin besser werden.«
    Ich fühlte mich plötzlich beklommen. »Ihr habt so gut für mich gesorgt, Herrin…« Ich wußte nicht, was ich sonst noch hätte sagen sollen, also vertiefte ich mich in die Betrachtung des Dolches. Es war ein schweres, altes Stück, etwa anderthalb Handlängen messend und aus altem Stahl gefertigt, in den in gleichmäßigem Abstand kleine, jetzt rostige Vertiefungen geprägt worden waren. Die Klinge war leicht gebogen, und die Spitze war abgebrochen und hatte sich im Laufe der Zeit gerundet. Mehrere Scharten zierten die beidseitigen Schneiden der Klinge, die wahrhaft so stumpf waren, daß man mit einigem Kraftaufwand hätte sägen müssen, um etwas Härteres als eine Qualle durchzuschneiden. Der aus Elfenbein bestehende Griff war ebenfalls mit Vertiefungen geprägt, wenn auch in größerem Maßstab. Um den Knauf herum und in einem Trio von Linien entlang des Griffes waren ein paar nicht sehr wertvolle Halbedelsteine eingelegt, keiner größer als ein Weizenkorn, und es gab viele Vertiefungen, wo dem Anschein nach einst ähnliche Steine geruht hatten. Der obere Abschluß des Knaufs wurde von einem großen dunklen, rauchigen Stein gebildet, durch den ich hindurchsehen konnte, als ich ihn ins Licht hielt. Um den unteren Rand des Knaufs herum war etwas, das ich zunächst irrtümlich für irgendeine wellenförmige Gravur gehalten hatte, das sich jedoch in Wirklichkeit als eine Linie aus kleinen Vertiefungen herausstellte, die bis auf eine allesamt die kleinen blassen Steine verloren hatten.
    Ich fuhr mit dem Finger darüber. »Ihr solltet das reparieren lassen, Herrin«, sagte ich zu ihr. »In der Waffenmeisterei des Palastes würde man Euch bestimmt gern diesen Gefallen erweisen, davon bin ich überzeugt, denn die Steine sehen nicht teuer aus, und die handwerkliche Arbeit ist nicht von erster Güte. Erlaubt mir, daß ich es in die Waffenmeisterei mitnehme, wenn ich wieder auf dem Damm bin. Ich kenne den stellvertretenden Gehilfen des Waffenmeisters. Das wäre überhaupt kein Problem. Ich würde mich freuen, etwas für Euch tun zu können.«
    »Das ist nicht nötig«, antwortete die Ärztin. »Mir gefällt

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