Inversionen
meine, nachdem Ihr ein Schiff des Mifeli-Stammes von Illerne nach Haspide genommen habt… war das der Grund, daß Ihr von den Mifelis angestellt wurdet?«
»Nein, das war reiner Zufall. Nach meiner ersten Landung half ich für eine Weile im Seefahrer-Hospital aus, bevor einer der jüngeren Mifelis auf einem in die Heimat fahrenden Schiff ärztlicher Behandlung bedurfte – eine entsprechende Nachricht war zu den Wachinseln vorausgeschickt worden. Der Arzt der Mifelis litt um die Zeit schrecklich unter Seekrankheit und war nicht bereit, auf dem Kutter zu der Galeone hinauszufahren. Ich wurde Prelis Mifeli vom Chefchirurgen des Krankenhauses empfohlen, also ging ich an seiner statt. Der Junge überlebte, das Schiff kam in den Hafen, und ich wurde gleich an der Anlegestelle zum Hauptarzt der Familie Mifeli gemacht. Der alte Mifeli verschwendet keine Zeit, wenn er Entscheidungen trifft.«
»Und ihr alter Arzt?«
»Wurde in den Ruhestand geschickt.« Sie hob die Schultern.
Ich betrachtete eine Zeitlang die Hinterteile der beiden Zugtiere. Eines von ihnen schiß ausgiebig. Der dampfende Kot verschwand unter unserem Wagen, doch nicht bevor er uns in seine Dämpfe eingehüllt hatte.
»Du liebe Güte, was für ein abscheulicher Geruch«, sagte die Ärztin. Ich biß mir auf die Zunge. Das war einer der Gründe, warum Leute, die es sich leisten konnten, normalerweise einen möglichst großen Abstand zwischen sich und Lasttieren bewahrten.
»Herrin, darf ich Euch eine Frage stellen?«
Sie zögerte einen Augenblick lang. »Du hast mir bereits allerlei Fragen gestellt, Oelph«, sagte sie und bedachte mich mit einem schelmischen, amüsierten Blick. »Ich nehme an, du willst sagen, ob du mir eine Frage stellen darfst, die vielleicht unverschämt sein könnte?«
»Ähm…«
»Nur zu, junger Oelph. Ich kann immer noch so tun, als hätte ich dich nicht gehört.«
»Ich habe mir überlegt, Herrin«, sagte ich und kam mir ziemlich tölpelhaft vor, und plötzlich wurde mir sehr warm, »warum Ihr Drezen verlassen habt.«
»Aha«, sagte sie, nahm die Peitsche und schwenkte sie über das Joch der beiden Zugtiere, wobei sie ihren Hals mit deren Ende kaum kitzelte. Sie sah mich kurz an. »Teilweise war es der Drang, ein Abenteuer zu erleben, Oelph. Einfach der Wunsch, an einen Ort zu gehen, an dem niemand mir Bekanntes je zuvor gewesen war.« Sie lächelte strahlend und bereitete mir einen flüchtigen Schwindel, bevor sie wieder auf die Straße vor uns blickte. »Ich hatte eine unglückliche Liebesbeziehung hinter mir, Oelph. Und ich bin stur. Und stolz. Nachdem ich mich entschlossen hatte, meine Heimat zu verlassen, und verkündet hatte, daß ich ans andere Ende der Welt reisen würde, konnte ich – wollte ich – keinen Rückzieher machen. Und auf diese Weise habe ich mir zweimal selbst weh getan, einmal indem ich mich in die falsche Person verliebt hatte, und dann zum zweitenmal, indem ich allzu halsstarrig war – selbst in einer gemäßigteren Gemütsverfassung –, um von einem Vorhaben abzulassen, auf das ich mich im Zorn des verletzten Stolzes eingelassen hatte.«
»War das die Person, die Euch den Dolch geschenkt hat, Herrin?« fragte ich, bereits voller Haß und Neid auf diesen Mann.
»Nein«, antwortete sie mit einem schnaubenden Lachen, das ich für etwas undamenhaft hielt. »Ich war von ihm ausreichend verwundet worden, ohne ein solches Unterpfand von ihm mit mir herumzutragen.« Sie sah zu dem Dolch hinab, der wie üblich im Schaft ihres Stiefels steckte. »Der Dolch war ein Geschenk von… vom Staat. Einiges von der Verzierung des Dolches wurde mir von einem anderen Freund geschenkt. Einer, mit dem ich schrecklich zu streiten pflegte. Ein doppelschneidiges Geschenk.«
»Worüber habt Ihr Euch gestritten, Herrin?«
»Über viele Dinge, und über viele Aspekte derselben Dinge. Ob die Macht jenseits der Macht ein Recht hatte, ihre Werte anderen aufzuzwingen.« Sie sah mein verdutztes Gesicht und lachte. »Wir stritten übers Hier, zum Beispiel.«
»Das Hier, Herrin?«
»Über…« Sie schien sich zu fangen und sagte: »Über Haspide, das Reich. Über diese gesamte Hemisphäre.« Sie zuckte die Achseln. »Ich werde dich nicht mit Einzelheiten langweilen. Schließlich fuhr ich weg, und er blieb, und später hörte ich, daß auch er ausgewandert sei, einige Zeit nach mir.«
»Bereut Ihr es heute, hierhergekommen zu sein, Herrin?«
»Nein«, sagte sie lächelnd. »Während des größten Teils der Reise nach Cuskery
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