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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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es genau gemacht hat?« sagte Doktor Skelim. »Er muß hier gewesen sein, als es geschah. Er rannte weg, nachdem es geschehen war. Natürlich hat er es getan.« Doktor Skelim sah Doktor Vosill angewidert an.
    »Die Tür zu der Folterkammer war weder verschlossen noch bewacht«, stellte die Ärztin fest. »Vielleicht befand sich Unoure auf irgendeinem Besorgungsgang, und als er zurückkam, fand er seinen Meister ermordet vor. Hinsichtlich der…«
    Doktor Skelim schüttelte den Kopf und hielt eine Hand in Richtung der Ärztin hoch. »Diese weibliche Phantasie und diese ungesunde Neigung zur Verstümmelung könnte eine Art geistiger Krankheit bei Euch darstellen, Madame, aber das hat wenig zu tun mit der Aufgabe, den Schuldigen zu finden und die Wahrheit aus ihm herauszubekommen.«
    »Der Doktor hat recht«, erklärte Polchiek der Ärztin. »Es steht fest, daß Ihr Euch im menschlichen Körper auskennt, Madame, aber Ihr müßt mir zugestehen, daß ich mich mit der Handlungsweise eines Schurken auskenne. Wegzulaufen ist ein untrügliches Zeichen von Schuld, so habe ich festgestellt.«
    »Unoure hatte vielleicht einfach nur Angst«, sagte die Ärztin. »Er ist allem Anschein nach nicht mit einem Übermaß an Intelligenz gesegnet. Vielleicht ist er einfach nur in Panik geraten, ohne sich zu überlegen, daß er sich durch seine Flucht ganz besonders verdächtig machen würde.«
    »Nun, wir werden ihn bald dazu befragen können«, sagte Polchiek mit einem endgültigen Ton. »Und Ralinge wird die Wahrheit herausfinden.«
    Als die Ärztin wieder sprach, geschah dies in einem derart haßerfüllten Ton, daß wir, glaube ich, alle überrascht waren. »Das wird er, in der Tat«, sagte sie.
    Ralinge grinste die Ärztin breit an. Polchieks vernarbtes Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an. »Ja, Madame, das wird er«, bestätigte er. Er vollführte eine Handbewegung zu dem Leichnam, der immer noch zwischen uns lag. »All das hier war recht unterhaltsam, das mag wohl sein, aber bei der nächsten Gelegenheit, wenn Ihr einige Eurer erfahreneren Kollegen mit Eurem makaberen Wissen von der menschlichen Anatomie zu beeindrucken gedenkt, möchte ich Euch bitten, jene von uns, die etwas Besseres zu tun haben, damit zu verschonen, vor allem mich. Guten Tag.«
    Polchiek drehte sich um und verschwand, indem er sich unter der Türöffnung hindurchduckte und den Salut eines Wachtpostens mit einem Kopfnicken hinnahm. Der Schreiber, dem es übel geworden war, blickte zögernd von seinen unvollständigen Notizen auf und war anscheinend unsicher, was er als nächstes tun sollte.
    »Ich stimme dem zu«, sagte Doktor Skelim mit einem Beiklang von Genüßlichkeit in der Stimme, während er sein kleines Gesicht dem der Ärztin sehr nahe brachte. »Ihr mögt unseren guten König derzeit verhext haben, Madame, aber Ihr könnt mich nicht täuschen. Wenn Euch auch nur das geringste an Eurer eigenen Sicherheit liegt, dann werdet Ihr darum ersuchen, uns so bald wie möglich zu verlassen, um zu jenem dekadenten Regime zurückzukehren, in welchem auch immer Ihr aufgewachsen sein mögt. Guten Tag.«
    Der graugesichtige Schreiber zögerte immer noch und beobachtete das Gesicht der Ärztin, das keinerlei Regung zeigte, während Skelim geziert, mit hoch erhobenem Haupt aus dem Zimmer rauschte. Dann murmelte der Schreiber dem immer noch lächelnden Ralinge etwas zu, schloß sein Schieferbuch mit einem Schnapplaut und folgte dem kleinen Doktor.
    »Man mag Euch nicht«, sagte Herzog Quettils Foltermeister zu der Ärztin. Sein Grinsen wurde noch breiter. »Ich mag Euch.«
    Die Ärztin sah ihn über die Steinplatte hinweg ein paar Augenblicke lang an, dann hielt sie die Hände hoch und sagte: »Oelph. Ein nasses Handtuch, wenn du so freundlich sein möchtest.«
    Ich beeilte mich, einen Krug mit Wasser von einer Werkbank zu holen, nahm ein Handtuch aus der Tasche der Ärztin und machte es naß, dann sah ich ihr zu, wie sie sich die Hände wusch, ohne den Blick von dem kleinen, rundlichen Mann auf der anderen Seite der Steinplatte zu wenden. Ich reichte ihr ein frisches Handtuch. Sie trocknete sich die Hände ab.
    Ralinge grinste immer noch. »Ihr mögt vielleicht das, was ich bin, hassen, Doktor«, sagte er leise. Seine Aussprache war wegen seiner grau-braun verfärbten Sammlung von Zähnen undeutlich. »Aber ich verstehe auch Lust zu bereiten, nicht nur Schmerz.«
    Die Ärztin reichte mir das Handtuch und sagte: »Laß uns gehen, Oelph!« Sie nickte Ralinge zu, und

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