Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
irgendeinem Geschehnis hier unten beizuwohnen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es den Betroffenen derartiger Geschehnisse anders ergangen ist«, bemerkte Doktor Vosill.
    »Sie haben es nicht besser verdient«, erwiderte Doktor Skelim, während eine seiner kleinen Hände nervös an seinen Kragenrüschen herumspielte und sein Blick über die faßartig gewölbten Wände und die Decke huschte. »Das ist ein unordentlicher, beengter, bedrückender Ort, nicht wahr?« Er sah den Wachkommandanten an.
    Polchiek nickte. »Nolieti hat sich stets beschwert, daß kaum genügend Raum vorhanden war, um eine Peitsche zu schwingen«, sagte er. Der graugesichtige Schreiber fing an, Notizen in ein kleines Schieferbuch zu schreiben. Die feine Spitze der Kreide erzeugte ein durchdringendes Kratzgeräusch auf dem Stein.
    Skelim schnaubte. »Nun, er wird keine mehr schwingen. Gibt es irgend etwas Neues in bezug auf Unoure, Wachkommandant?«
    »Wir wissen, in welche Richtung er sich davongemacht hat«, sagte Polchiek. »Der Suchtrupp sollte ihn vor Einbruch der Dunkelheit aufgegriffen haben.«
    »Glaubt Ihr, daß er in einem Stück zurückgebracht wird?« fragte Doktor Vosill.
    »Adlain ist nicht ungeübt darin, in den Wäldern zu jagen, und meine Hunde sind gut abgerichtet. Vielleicht muß der Junge den einen oder anderen Biß hinnehmen, aber er wird dem Meister Ralinge hier lebend übergeben werden«, sagte Polchiek mit einem Seitenblick zu der ausladenden kleinen Tonne von Mann, der neben ihm stand und mit einer Art gieriger Faszination die Wunde anstarrte, die es fast geschafft hatte, Nolietis Kopf von dessen Schultern zu trennen. Ralinge blickte langsam zu Polchiek auf, als er die Erwähnung seines Namens hörte, und lächelte, wobei er eine vollständige Reihe von Zähnen zeigte, die er voller Stolz seinen Opfern abgenommen und dazu benutzt hatte, seine eigenen vom Verfall dahingerafften zu ersetzen. Polchiek gab ein mißbilligendes Grammeln von sich.
    »Ja. Nun, es ist Unoures Schicksal, das mich interessiert, meine Herren«, sagte Doktor Vosill.
    »Wirklich, Madame?« sagte Polchiek, der sich immer noch das Taschentuch vor Mund und Nase hielt. »Was geht Euch sein Schicksal an?« Er wandte sich an Ralinge. »Ich glaube, sein Schicksal liegt jetzt in den Händen jener von uns, die auf dieser Seite des Tisches stehen, Doktor. Oder befindet sich der Bursche medizinisch gesehen in einer Verfassung, die uns vielleicht der Möglichkeit berauben könnten, ihn in der Angelegenheit zu verhören?«
    »Es ist unwahrscheinlich, daß Unoure der Mörder ist«, entgegnete die Ärztin.
    Doktor Skelim gab ein spöttisches Schnauben von sich. Polchiek blickte zur Decke hinauf, die für ihn nicht weit entfernt war. Ralinge wandte den Blick nicht von der Wunde ab.
    »Wirklich, Doktor«, sagte Polchiek in gelangweiltem Ton. »Und was führt Euch zu diesem seltsamen Schluß?«
    »Der Mann ist tot«, sagte Skelim ärgerlich und deutete mit einem Schwenk der dürren Hand auf den Leichnam. »In seiner eigenen Kammer ermordet. Sein Gehilfe wurde dabei beobachtet, wie er in den Wald rannte, während aus dem Körper noch Blut quoll. Sein Meister pflegte ihn zu schlagen – und Schlimmeres. Jeder weiß das. Nur eine Frau vermag in einem solchen Fall, die Augen vor dem Offensichtlichen zu verschließen.«
    »Ach, laßt die treffliche Doktorin doch ihre Meinung äußern«, sagte Polchiek. »Ich für meinen Teil bin bereits ganz fasziniert davon.«
    »Doktorin, ja sicher«, murmelte Skelim und wandte den Blick zur Seite ab.
    Die Ärztin schenkte ihren Kollegen keine Beachtung, sondern beugte sich vor und griff nach den ausgefransten Hautfetzen, die Nolietis Hals gewesen waren. Ich merkte, daß ich angestrengt schluckte. »Die Wunde wurde durch ein sägeartig gezacktes Werkzeug herbeigeführt, vermutlich ein großes Messer«, sagte sie.
    »Eine erstaunliche Feststellung«, bemerkte Skelim ironisch.
    »Es war ein einziger Schnitt, von links nach rechts geführt«, fuhr die Ärztin fort, indem sie die Hautfetzen in der Nähe des linken Ohrs des Leichnams auseinanderhielt. Ich muß gestehen, daß ihr Gehilfe in diesem kritischen Augenblick etwas Übelkeit verspürte, obwohl ich – genau wie der Folterer Ralinge – den Blick nicht von der Wunde abwenden konnte. »Ich habe alle Hauptblutgefäße durchtrennt, der Larynx…«
    »Der was?« unterbrach Skelim sie.
    »Der Larynx«, wiederholte die Ärztin geduldig und deutete auf die grob aufgeschlitzte Röhre in

Weitere Kostenlose Bücher