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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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unordentliche, viel zu volle Ordner. Die Wände waren behängt mit Bildern, die Neil mit einem Posterkleber befestigt hatte - Schnappschüsse von Kate und seinen Eltern, ein Teamfoto und der Saisonspielplan seines heiß geliebten Barnsley FC.
    Neil war froh, wieder zu Hause zu sein, auch wenn es nur vorübergehend war. Für die Trennung auf Probe war er in der Wohnung eines Freundes untergekommen, ein Journalistenkollege, der praktischerweise gerade beruflich in Jerusalem war. Neil wollte sich nicht gleich eine eigene Wohnung suchen, denn er glaubte nicht, dass seine Ehe wirklich am Ende war. Das Ganze war eine kleine Krise, mehr nicht. Sechzehn Jahre warf man nicht so einfach fort.
    »Ich frage mich, warum wir noch verheiratet sind.« So lautete der Satz, der die Trennung herbeiführte. Kate hatte ihn ausgesprochen, ruhig, scheinbar ohne jeden Anlass. Ja, es hatte einen Streit gegeben, oder zumindest war Neil wütend geworden, und Kate hatte dichtgemacht. Er hatte geahnt, dass da etwas war, was sie nicht sagte. Manchmal war der Umgang mit ihr frustrierend, sie konnte so verflucht unkommunikativ sein.
    Und nun waren sie wieder am selben Punkt. Kate hatte ihn gebeten, zurückzukommen, hatte ihn zu Hilfe gerufen, aber jetzt wollte sie nicht mit ihm reden. Sie hatte schon wieder zugemacht. Gott, sie konnte furchtbar verschlossen sein! Zum Beispiel hatte Kate ihm gegenüber nie erwähnt, dass sie eine Harriet Fox - Hattie - kannte. Möglicherweise hatte Neil sogar die Serie gesehen, in der diese Frau mitspielte. Eines Tages hatte er von zu Hause aus gearbeitet, und Kate war früh aus dem Sender zurück gewesen. Als er die Treppe runterkam, saß sie vor dem Fernseher, in dem diese grottenschlechte Seifenoper lief, erbärmliches Nachmittagsprogramm eben. Ein Haufen flüchtig bekannter Mimen, die Anwälte spielten. An dem Tag hatte Kate nichts gesagt, das wusste er genau. Sie hatte nicht auf den Bildschirm gezeigt und gesagt: »Die Frau da ist eine alte Freundin von mir.« Oder: »Siehst du die Schauspielerin? Mit der bin ich zur Schule gegangen.« Das wäre doch nur normal gewesen, jeder andere hätte das getan.
     
    Neil Callan hatte täglich mit den Nachwirkungen von Ereignissen zu tun. Das war sein Job. Er produzierte eine Dokumentarserie fürs Fernsehen, die er manchmal auch selbst moderierte. Nach den Schlagzeilen ging Titelgeschichten nach; Wochen, Monate, bisweilen Jahre später wurden Beteiligte und Betroffene aufgesucht und gefragt, ob und was sich seit dem Medienrummel verändert habe. Zumeist gefiel ihm die Arbeit. Angesichts des gegenwärtigen Trends, Nachrichten zunehmend als Unterhaltung darzubieten, war er froh, in einer Sparte zu arbeiten, die noch anständige, solide Dokumentationen lieferte. Er brachte harte Fakten (nicht eingelöste Regierungsversprechen, ausgebliebene Untersuchungsberichte) mit menschlichen Geschichten zusammen. Die Leute sprachen deutlich freier über ihre Anliegen und Nöte, wenn ein wenig Zeit verstrichen war. Und da die Serie von Neils eigener Firma produziert wurde, konnte er sich aussuchen, wie und woran er arbeitete.
    Neil konnte mit Fakten ebenso gut umgehen wie mit Gefühlen. Sensibel und dennoch direkt befragte er Menschen zu ihren traumatischsten oder empörendsten Erlebnissen. Er wusste, dass er ein begnadeter Zuhörer war, als warmherzig wahrgenommen wurde und intuitiv Gespräche lenken konnte. In seinem Beruf befragte er praktisch wöchentlich andere Menschen zu den fürchterlichsten Dingen, die ihnen je widerfahren waren, und überredete sie, ihm etwas zu erzählen, was sie noch nie zuvor jemandem erzählt hatten.
    Gestern war er in einem Dorf in Worcestershire gewesen, in einer Gegend, die er gar nicht kannte. Es war ein recht hübscher Ort, fand Neil, inmitten sattgrüner Landschaft, der jedoch unendlich weit von allem entfernt zu sein schien. In dem Dorf hatte Neil eine Frau namens Christine befragt, deren dreijähriger Sohn vor fast einem Jahr verschwand, als sie mit ihm einkaufen war. Der Junge wurde beinahe eine volle Woche vermisst. Dann fand man ihn lebend und wohlauf vor der Schule im Nachbardorf. Damals war es wie ein Wunder erschienen, dass er überhaupt noch lebte. Und er war mehr als wohlauf gewesen, als man ihn entdeckte. Der Kleine war sauber, gut genährt, teuer neu eingekleidet und hielt einen brandneuen Steiffteddy umklammert. Wie sich herausstellte, hatte eine Frau aus dem Ort den Jungen gesehen, als er allein im Einkaufszentrum umherwanderte, und hatte

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