Irgendwann Holt Es Dich Ein
ärgerlich, unprofessionell und blöd. Dennoch war es nun einmal passiert. Natürlich hätte sie Richard früher von Serena erzählen können, doch das hätte ausgesehen, als wolle sie sich mit dem Suizid rausreden. In Zukunft musste Kate sich einfach bemühen, jedweden Fehler zu vermeiden.
Sie lief durch eine Seitenstraße und wich einem Hundehalter aus, der den Haufen seines Hundes vom Gehweg aufhob. Kate nickte ihm zu. Sie kannte den Mann. Er wohnte in ihrer Straße. Aber sie lief zu schnell, um zu sprechen. Sie erreichte gerade den Punkt, an dem der Schmerz zu einem Hochgefühl wurde, und diesen Moment wollte sie nicht versäumen.
Die Vorfälle bei der Arbeit - das versäumte Interview, der dämliche Geschenkkorb, die E-Mails aus dem Internetforum: Sie sagte sich, dass ihr all das mehr zusetzte als es sollte, weil sie wegen Hattie und Serena aus dem Gleichgewicht war. Konzentrier dich auf die beiden!, befahl sie sich. Du musst rausfinden, was vor sich geht.
Kate bog um die Ecke in ihre Straße ein. Das Haus war nur noch hundert Meter entfernt, aber sie wollte noch nicht aufhören zu laufen. Sie musste weiter rennen, schneller, ein bisschen länger auf der Welle des Hochgefühls treiben, ein paar Minuten länger das Pflaster treten. Bis sie klarer denken konnte. Deshalb beschleunigte sie ihr Tempo und lief am Haus vorbei. Bei jedem Schritt trafen ihre Füße mit einem befriedigenden Tapp auf. Sie war deutlich schneller, sprintete eine Weile, und ein Ausbruch purer Energie trieb ihren Adrenalinspiegel nach oben. Leichtfüßig, wie sie sich fühlte, war ihr, als könne sie jedem davonlaufen, als könne sie jedermanns Probleme lösen, als wäre überhaupt alles bestens. Und dann verlangsamte sie die Schritte, ging in ein schnelleres Joggingtempo über, während ihre Gedanken wieder zu kreisen begannen. Wir haben etwas Furchtbares getan. Serena hatte wissen wollen, was Hattie vor ihrem Sturz sagte. Sie hatte Angst gehabt. Glaubte sie, Hattie habe irgendein Geständnis abgelegt? Was hatten die beiden getan?
Ein gefrierender Nebel hatte eingesetzt, der die Luft trübe machte wie einen Schleier, der sich um Kate zusammenzog. Mysteriösen Schatten gleich tauchten Leute aus dem Nebel auf, und Kate hatte plötzlich das Gefühl, die Orientierung zu verlieren. Der kalte Nebel erinnerte sie an Cambridge, an jenes ungewöhnliche Wochenende, als sie endlich von den anderen Mädchen akzeptiert wurde, wenn auch nur für die wenigen Tage, die das Seminar mit Hattie, Serena und Susan gedauert hatte. Kate erinnerte sich noch, dass es sehr kalt war, eisig und neblig, die Art von Kälte, die einem in die Glieder kroch. Und Kate wusste noch, dass sie keinesfalls dort hatte studieren wollen. Cambridge war ihr zu kalt, zu abgeschieden, zu verborgen.
Hattie und Serena. Was war mit ihnen geschehen? Was hatten sie getan? Warum wurden sie gejagt? Wieso jetzt? Diese Fragen kehrten in rhythmischer Wiederholung zurück, ohne dass sie zu einem Schluss gelangte. Zu gern hätte Kate gewusst, wie sie diese Geschichte auflösen könnte, wie sie ergründen könnte, was passiert war und warum. Und bis dahin blieb ihr nichts anderes übrig, als weiter zu laufen.
FÜNFZEHN
Neil versuchte, seinen Kater mit einer heißen Dusche zu lindern. Bei der Ankunft in seiner Wohnung auf Zeit am gestrigen Abend war er verwirrt und bedient. Er machte alles, was Kate wollte - eilte herbei, wenn sie ihn anrief, war bereit, über den Selbstmord ihrer Freundin - nein, ihrer Freundinnen - zu recherchieren, und noch immer ließ sie ihn nicht nach Hause. Also hatte er sich abends ein Bier aufgemacht, dann noch eines und danach eine Flasche Scotch. Und jetzt hatte er schädelsprengende Kopfschmerzen, die er dringend loswerden musste. Nur leider war das Wasser in der Dusche nicht heiß genug, und der Wasserstrahl war eher ein Rinnsal, sodass es überhaupt nichts brachte. Neil vermisste sein hochmodernes Bad. Ihm fehlte sein Arbeitszimmer. Und ihm fehlte seine Frau.
Es war ein scheußlicher Morgen, kalt und neblig. Neil musste an der Worcestershire-Story arbeiten, an dem Fall mit dem kleinen Kind, das verschwunden und wohlbehalten wieder aufgetaucht war. Das hieß allerdings, dass er durch den Nebel den ganzen Weg bis zum Produktionsbüro südlich vom Fluss fahren musste oder zu seinem Haus, um dort im Arbeitszimmer zu arbeiten. Letzteres kam wohl kaum in Frage, denn er bezweifelte, dass Kate ihn momentan mit offenen Armen empfing.
Neil goss sich einen
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