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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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Instantkaffee in der winzigen Küche auf und blickte für eine Weile aus dem Fenster. Der gestrige Abend wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. Die Mobber werden gemobbt, hatte Kate gesagt. Lady Jane Grey. Die verfluchte Schule war der gemeinsame Nenner, auf den alles hinauslief. Hier musste Neil ansetzen und mehr in Erfahrung bringen.
    Neils eigene Schule war ein zweckmäßiger Oberschulbau aus den 1960ern gewesen, mit großen Fenstern und geräumigen Klassenzimmern. Als Neil schon auf der Schule war, wurde sie zur Gesamtschule umfunktioniert, bewahrte sich allerdings ihren guten Ruf. Es war eine große Schule, die man aufs freie Feld am Rande eines hübschen Vorortes gebaut hatte. Von den großen Sportplätzen aus sah man auf die Moore und die alten Grubensiedlungen weiter hinten am Horizont. Die Räumlichkeiten waren ein bisschen vernachlässigt und teils stark renovierungsbedürftig, aber zumindest hell, luftig und offen. Neils Mitschüler waren ungestüm, nicht jedoch rüpelhaft, geschweige denn tyrannisch; und die Lehrer waren streng, aber fair. Ja, Neil war dort sehr glücklich gewesen.
    Der Website der Lady Jane Grey nach zu urteilen, war Kates Schule das genaue Gegenteil gewesen. Es fing schon mit dem Gebäude an, das sich - halb Herrenhaus aus der Tudor-Zeit, halb viktorianische Scheußlichkeit - auf einem ehemals recht umfangreichen Grundstück erstreckte.
    Heute war die Schule von Sozialwohnungsbauten und Siedlungen aus den Fünfzigerjahren umgeben, und der nördlichste Teil Londons, an der Grenze nach Hertfordshire und direkt an der M 25, galt nicht gerade als vornehme Gegend. Dennoch schickten Hunderte betuchter Eltern aus ganz London und der gesamten Umgebung ihre Chloes und Claras Tag für Tag auf eine endlose Bahn- und Bustour, nur damit sie diese Schule besuchten.
    Die Website war voll mit repräsentativen Bildern von hochgewachsenen, wohlhabend aussehenden weißen Mädchen (nur hier und da, um der Integration Genüge zu tun, ein farbiges oder asiatisches Gesicht): Töchter aus gutem Hause in weißen Laborkitteln mit Reagenzgläsern in der Hand; reiche Töchter, die Musikinstrumente, Lacrosse und Tennis spielten. Die Klassenzimmer waren sonnendurchflutet und wirkten trotz des Alters der Schule modern. Alles strahlte Privilegiertheit aus, und Neil beschloss, hinzufahren und sich die Schule persönlich anzusehen.
     
    Das Hauptgebäude, die viktorianische Scheußlichkeit, war aus Steinen gemauert, deren Farbe an getrocknetes Blut erinnerte, und ragte über den Häusern der unmittelbaren Nachbarschaft empor. Groß und verwinkelt, wie es war, wirkte das Gebäude wie die Karikatur einer Schule: riesig und bedrohlich mit Steinstufen, die zu einer schweren, schwarz gestrichenen Holztür führten. Neil schauderte unwillkürlich, als er davorstand.
    Drinnen schien alles noch verwinkelter. Überall dunkle Nischen, und selbst die neuen Kunst- und Töpferateliers, die modernen Labors und Turnhallen, für die großzügige Spender gewiss Millionen hingeblättert hatten, wirkten irgendwie hineingequetscht. Neil hatte das Gefühl, dass die Proportionen schlicht nicht stimmten, und das auf eine höchst befremdliche Weise. Es hätte ihn jedenfalls nicht erstaunt, wenn sich sämtliche Räumlichkeiten bei seinem nächsten Besuch komplett verändern würden, wie unter dem Einfluss einer geheimnisvollen Raum-Zeit-Maschine. Und wahrscheinlich würden ihm die Lehrer dann noch beteuern, alles sei so wie immer. Ehrlich gesagt bereitete ihm diese Schule eine Gänsehaut.
    Kate erging es genauso, dessen war er sich ziemlich sicher. Ihre Körpersprache, ihre ganze Haltung war wie ausgewechselt. Sie schien gleichsam in sich zusammenzuschrumpfen, zog den Kopf zwischen die Schultern und verspannte sich sichtlich. Derweil sagte sie so gut wie nichts, und dabei hatte Neil eigentlich erwartet, dass sie ihn herumführen und ihm erklären würde, was sich wo befand, was sich verändert hatte und was nicht, woran sie sich gern erinnerte und woran nicht. Stattdessen schritt sie zaghaft neben ihm her, als könne der Boden unter ihr jeden Augenblick nachgeben. Sie sah entsetzlich verängstigt aus.
    Mist! Ihm war nicht klar gewesen, dass die Schule ihr solches Unbehagen bereitete. Natürlich hatte er geahnt, dass sie hier nicht glücklich gewesen war, so wenig wie sie von ihrer Schulzeit erzählte. Genau genommen hatte sie nie über ihre Schule geredet, was Neil stets sehr merkwürdig fand. Allerdings war ihm nicht bewusst gewesen,

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