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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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fielen ihr wieder ein, und sie sagte sie Neil auf.
    Kaffryn Small, Kaffryn Small,
    ja, das ist mein Name.
    Mein Rock, der kommt vom Co-op
    und passt mir nicht, ich Arme.
    Meine Mum, die tippt für wenig Geld,
    mein Dad ist irgendwo,
    und packe ich mein Turnzeug aus,
    dann stinkt es wie im Zoo.
     
    »Das stimmte alles«, sagte sie, als Neil sie verwundert ansah. »Jede Zeile.«
    »Hat dein Turnzeug wirklich gestunken?« Er lächelte, doch Kate entging nicht, welche Anstrengung es ihn kostete. Er wollte einen Scherz daraus machen, damit sie sich besser fühlte, und vielleicht hatte er recht. Sie sollte über diese blöden Geschichten lachen, denn sie konnten ihr ja nichts mehr anhaben. Doch sie waren ihr bis heute nicht egal.
    »Ja, mein Turnzeug hat gestunken. Einmal. Na ja, ein paar Wochen lang in dem einen Schuljahr. Aber das war nicht meine Schuld. Es war eine von den vielen blöden Gemeinheiten, die sie sich für mich ausdachten. Sie versteckten meinen Gymnastikanzug nach dem Sportunterricht, sodass ich ihn nicht mit nach Hause nehmen konnte, wo meine Mum ihn sonst immer wusch. Und sie wussten, dass ich nur den einen Anzug hatte, also nicht einfach einen sauberen zur nächsten Stunde mitbringen konnte. Im Umkleideraum, wenn ich mich kurz umdrehte oder mir die Bluse über den Kopf zog, schnappten sie sich den Anzug und versteckten ihn. Und unmittelbar vor der nächsten Sportstunde tauchte er auf mysteriöse Weise wieder in meinem Turnbeutel auf. Das ging über Wochen. Die Sportlehrerin sprach mich sogar auf meinen Körpergeruch an.« Kate spürte, wie sie rot wurde. Was für eine schreckliche, unsagbar peinliche Erinnerung!
    »Warum hast du der Lehrerin nicht erzählt, was los war?«
    »Mein Gott, Neil, wie kannst du das fragen? Du bist schließlich auch mal zur Schule gegangen. Und solche Sachen passieren an jeder Schule. Es gibt nichts Schlimmeres, als eine Petze zu sein.«
    »Und zu Hause? Wusste deine Mum, was los war? Hat sie gewusst, wie unglücklich du in der Schule warst?«
    »Nein, das konnte ich ihr nicht erzählen. Was hätte sie schon tun sollen? Außerdem habe ich es einfach nicht über mich gebracht. Sie war so stolz, dass ihre Tochter auf die Lady Jane Grey ging.«
    Kate beobachtete Neils Hände, als er sein Naan-Brot zerpflückte und in sein Lammcurry tunkte. Starke, ruhige, fähige Hände. Hände, die anpacken konnten. Sie erinnerte sich noch, wie sie ihn ihrer Mutter vorgestellt hatte, kurz nachdem sie sich verlobt hatten. Hinterher hatte ihre Mutter zu ihr gesagt: »Ist er nicht ein bisschen zu gewöhnlich? Bei all deiner Bildung hätte ich gedacht, du suchst dir jemand Vornehmeres.«
    Kate hätte Neil unmöglich erklären können, dass die Beziehung zwischen ihrer Mutter und ihr von Missgunst und Neid geprägt gewesen war. Neil hatte ihr einmal erzählt, dass er und seine Brüder täglich seiner Mum berichteten, wie es ihnen in der Schule ergangen war. So etwas konnte Kate sich gar nicht vorstellen. Ihre Mutter hätte vielleicht Interesse und Freude geheuchelt, aber die unterschwellige Eifersucht wäre immer da gewesen. Nicht dass es ihnen schlecht gegangen war. Sie wohnten in einer hübschen Dreizimmerwohnung in einem niedrigen Mehrfamilienhaus, Sozialwohnung zwar, aber mit viel Grün drum herum. Ihre Mutter arbeitete viel und hatte einen guten, anständigen Job. Sie ernährte Kate gut, kleidete sie warm und hielt sie an, »ordentlich zu reden«, auf dass sie »es einmal besser hat«. Was die materielle Seite anging, konnte Kate sich nicht über ihr Zuhause beklagen. Nur hatte es ihr keinerlei menschliche Wärme geboten.
    Ihre Mutter hatte sie nicht gewollt, ganz einfach. Sie hatte sich mit Ende zwanzig dummerweise schwängern lassen (»dummerweise schwängern lassen« waren die Worte, die sie stets dafür verwandte), als sie mit ihrem verheirateten, deutlich älteren Chef schlief. Und Kate war das Resultat dieses peinlichen Fehltritts. Gleichsam um die Mutter-Tochter-Beziehung zu verharmlosen und nicht fortwährend an ihren Fehler erinnert zu werden, bestand sie darauf, von ihrer Tochter mit »Shirley« angesprochen zu werden. Shirley war eine durchaus akzeptable Mutter gewesen, die sich ihrer Pflichten bewusst war. Sie war eine gewitzte, scharfzüngige Frau, die gut für ihre Tochter sorgte und geradezu verzweifelt stolz auf deren Erfolge war. Aber Kate begriff sehr früh, dass jedwede Klage von ihrer Mutter schroff beiseitegefegt wurde. Shirley war niemand, der sich beklagte. Sie »machte

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