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Irgendwann Holt Es Dich Ein

Irgendwann Holt Es Dich Ein

Titel: Irgendwann Holt Es Dich Ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Hill
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haben.
    Freundschaftsbombe. Sie bestand darin, dass eines der Mädchen vorgab, Kates Freundin zu sein. Eine von ihnen freundete sich mit ihr an, setzte sich etwa eine Woche lang in der Klasse neben sie und ließ dann plötzlich die Bombe hochgehen, indem sie so tat, als wären sie nie befreundet gewesen. Das lief dann so ab, dass Kate morgens in die Klasse kam, sich neben ihre »neue Freundin« setzen wollte, die sie mit einem wütenden Blick bedachte und zischte: »Was fällt dir ein?« In den ersten paar Jahren an der Schule war es Kate zwei oder drei Mal passiert. Sie war eben immer wieder darauf hereingefallen.
    Neil hörte gebannt zu, während sie ihm schilderte, wie furchtbar es gewesen war.
    »Am schlimmsten war es, als Serena höchstpersönlich, die ungekrönte Königin der Klasse, vorgab, meine Freundin zu sein. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Sie entschuldigte sich bei mir, weil sie alle so gemein gewesen waren, und eine Zeit lang hörte der Spuk auf. Plötzlich durfte ich im Unterricht neben Serena sitzen, mit ihr und ihren Freundinnen zusammen die Pause verbringen, und ich fühlte mich wunderbar. Selbstverständlich war ich anfangs ein bisschen misstrauisch, aber es ging eine ganze Woche lang, die nächste und sogar die übernächste, bis ich mir ziemlich sicher war, dass die Freundschaft echt sein musste. Du meine Güte, immerhin war es Serena! Plötzlich war ich die Busenfreundin des beliebtesten Mädchens in unserem Jahrgang.
    In der dritten Woche lud sie mich ein, am Wochenende zu ihr zum Tee zu kommen. O Gott, ich war unsagbar nervös und aufgeregt. Stundenlang habe ich vor dem Spiegel gestanden, bis ich mich entscheiden konnte, was ich anziehen sollte. Ich muss ungefähr dreizehn gewesen sein. Meine Mum sagte, ich solle etwas zum Tee mitbringen, also hielt ich unterwegs bei einem Laden an - ich bin mit dem Rad hingefahren - und kaufte eine Packung Penguin-Kekse. Die gab es immer bei uns zu Hause, wenn Besuch zum Tee kam. Ich hielt die Kekse in der Hand, als ich an die Tür des riesigen Hauses klopfte, in dem Serena wohnte. Eine sehr elegante Frau machte mir auf, sah erst die Kekse, dann mich an und sagte dann, es täte ihr leid, aber Serena sei übers Wochenende bei Freunden.«
    Kate wurde noch heute rot vor Zorn. »Also radelte ich wieder nach Hause und aß die ganze Packung Kekse allein. Und als ich am Montag in die Schule kam, war Serena nicht nur nicht mehr meine beste Freundin, sondern gemeiner als jemals zuvor. Alle in der Klasse müssen gewusst haben, was passiert war, denn wochenlang konnte ich mich nirgendwohin bewegen, ohne dass irgendwer hinter mir hersang: ›P-p-p-pick up a Penguin‹, den Werbesong der Keksfirma.«
     
    Neil drückte wieder Kates Hand und verkniff sich ein Lachen, das für Kate wie ein Schlag ins Gesicht gewesen wäre. Die einzige andere Reaktion, die ihm einfiel, war Wut. Er war mehr als geschockt über das, was er gehört hatte. Von Serena wusste er bisher lediglich, dass sie sich umgebracht hatte, weil jemand sie wegen ihres Gewichts verhöhnt hatte. Nach Kates Erzählung kam ihm das nun noch seltsamer vor. Wer weiß, vielleicht war Serena voller Reue ob ihres schrecklichen Gebarens als Kind. Es war natürlich nicht ausgeschlossen, dass sie sich als Erwachsene in einen netteren Menschen verwandelt hatte. Oder aber sie gehörte zu den Leuten, die austeilen, aber nicht einstecken konnten. Wie auch immer, sie hatte ihre gerechte Strafe bekommen. »Liebling, ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll.«
    »Was gibt es da schon zu sagen?«, erwiderte Kate in ihrer typischen abweisenden Art. »Irgendwann, in ferner Zukunft, kann ich sicher auf all das zurückblicken und lachen. Im Moment jedoch empfinde ich bloß Scham und Selbsthass, wenn ich an dieses Erlebnis zurückdenke. Ich war blöd, viel zu naiv und vertrauensselig. Schließlich war mir doch das alles schon mal passiert. Nicht ganz so ausgefeilt zwar, keine Einladung zum Tee, aber die Freundschaftsbombe kannte ich, die vorgetäuschte Freundlichkeit. Ich hätte gleich misstrauisch werden müssen. Tja, ich war eben zu erpicht darauf, eine Freundin zu finden und gemocht zu werden.«
    Sie grinste, wenn auch kalt und freudlos. »Weißt du, als Hattie dann freundlich zu mir war, verhielt ich mich anfangs total abweisend. Das war Jahre später, vier oder fünf Jahre, in der Oberstufe. Sie kam neu in die Klasse, deshalb wusste sie nichts von dem, was vorher gewesen war, und trotzdem war ich misstrauisch. Wir

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