Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
Vom Netzwerk:
Augenblick, in dem der Kühlschrank zu brummen beginnt, springt Erich auf. Als ich ihn aufspringen sehe, stehen uns Schweißtropfen auf der Stirn. Er stürzt los, packt Freddy, reißt ihn zu sich, fort von der Wand, bis der Stecker aus der Dose ratscht und das Aggregat Ruhe gibt und Freddy zu atmen aufhört, und noch weiter reißt Erich den Kühlschrank, in die Mitte des Zimmers, und als Freddy dort steht, gibt Erich ihm einen Stoß, mit aller Kraft, sodass Freddy auf den Rücken fällt. Erich wuchtet die Tür auf, bis sie in der Halterung schwingt, und dann weidet er Freddy aus, greift mit beiden Händen in Freddy hinein und schmeißt alles hinter sich, Gläser platzen auf, Eier zerbrechen, Erich schaut nicht zurück, will nur eins, will Freddy leeren, will ihn frei und sauber und ohne jedes Zeug machen, auch die Gefrierfächer reißt er auf und schmeißt das eiskalte, vom Frost zu Paketen gefrorene Essen hinter sich, zieht mit aller Kraft die Zwischenregale aus dem Kühlschrank, Glas- und Gitterplatten, Getränkehalter und Eierbox, und als eine der Glasplatten sich verhakt, schreit Erich Freddy an, die Glasplatte kommt ihm entgegen, er wirft sie hinter sich, und dann ist Freddy vollkommen leer, vollkommen befreit von allem, was in ihm war, kein Strom mehr, kein Innenleben mehr, doch Erich ist längst nicht am Ziel, er macht weiter und zieht die Hose aus und kriecht nackt in Freddy hinein, muss die Beine anwinkeln und den Kopf einziehen, küsst die Innenhaut des Kühlschranks, leckt sie ab, reibt die Haut seiner Handflächen, seine Stirn an Freddy, fischt von innen nach der Tür und lässt sie zufallen, jetzt ist er drinnen, nicht mehr zu sehen, von Dunkelheit, Kälte geschluckt liegt er dort und hat als letztes Geräusch das Schmatzen gehört, als die Kühlschranktür sich schließt. Ich selber sitze im Überwachungsraum, und jetzt, als die Kamera nur noch den umgefallenen Kühlschrank filmt und filmt und filmt, und ich die DVD vorspulen kann, solange ich will, jetzt wird mir mulmig zumute, und ich denke kurz, vielleicht sollte ich in die Küche gehen, um zu schauen, ob Erich noch immer dort drinnen liegt, im Kühlschrank, doch dann rufe ich mich zur Besinnung, stehe auf und lasse das Badewasser ein, weil ich weiß, dass Erich bald wird baden wollen, und ich weiß, dass er ich ist, ich vergesse es nur bisweilen, ich muss mich immer wieder dazu zwingen, mir zu sagen, dass er ich ist.
    Ich habe lange nichts mehr geschrieben. Ich habe aufgehört, in der Vergangenheit zu wühlen. Ich will von Vergangenem nichts mehr wissen. Die Erinnerungen sind fort, wegerinnert. Auch die ewig gestrigen DVD s schaue ich nicht mehr an. Es tut mir nicht gut. Ich weiß, dass Erich da ist und hinter diesen Türen lebt. Das genügt mir. Ich will ihn nicht beobachten. Will nicht sehen, wie er sich verhält. Will nicht wissen, was genau er gestern getan hat. Die Vergangenheit ist ad acta gelegt. Die Zeit zerlaufen, zu einer einzigen Gegenwart. Es gleicht sich alles, was geschieht. Die Tage verlieren den Unterschied. Es ist nur noch. Es war nichts mehr. Es wird nichts mehr sein. Ich bin nur noch. Ich war nicht mehr. Ich werde nicht mehr sein. Bin nur noch Wahrnehmung, Blick in die Monitore. Es ist gut so, wie es ist. Der Rücken tut weh vom langen Sitzen. Die Augen schmerzen vom langen Blicken. Draußen, scheint es, rührt sich nichts mehr. Vielleicht sind die Feinde fort? Ich sehe nur noch unbewegliche Mauern an. Da fliegt nichts durch mein Blickfeld, das mich stören könnte. Meine Augen sind alles, was noch lebt.
    Es war ein Dienstag, es musste ein Dienstag sein, denn ich beobachtete die Ankunft von Marc Antonius. An diesem Dienstag kümmerte er sich nicht um die Hunde. Das fiel mir gleich auf. Er ließ die Hunde links liegen. Er fuhr bis dicht vor die Eingangstür und holte zuerst den Karton von der Ladefläche. Er stand eine Weile da, er schwitzte, und als ich näher heranzoomte, sah ich seine Augen ein klein bisschen flackern. Das ist nicht Marc Antonius, dachte ich sofort, das kann nicht Marc Antonius sein, das ist Gonzales mit einer Marc-Antonius-Maske, das ist ein Trick, deshalb hat er sich nicht um die Hunde gekümmert, die Hunde hätten ihn erkannt, oder besser gesagt, nicht erkannt, hätten ihn zerfetzt, deshalb ist er mit seinem Jeep so dicht ans Haus gefahren, so weit wie noch nie. Nicht mit mir, dachte ich sofort, nicht mit mir, er wird mir in die Falle laufen, dieser Gonzales, und jetzt gab der Mann mit Marc-Antonius-Maske den

Weitere Kostenlose Bücher