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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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Code ein, er kannte den Code, ich sah es, sie mussten Marc Antonius wie auch immer in ihre Gewalt gebracht haben. Er betrat den Vorraum, die Tür schloss sich, ich machte Licht, er blickte in die Kamera, und ich rief durch die Sprechanlage: »Nimm die Maske ab!«
    »Welche Maske?«, fragte er.
    »Die Marc-Antonius-Maske!«
    »Ich bin Marc Antonius.«
    »Runter mit dem Ding!«
    »Ich weiß nicht, was Sie wollen.«
    »Du hast die Hunde nicht gefüttert.«
    »Ich wollte sie nachher füttern.«
    »Warum?«
    »Im Karton ist zu viel Verderbliches.«
    Seine Stimme klang wie die vom echten Marc Antonius, aber ich wusste, es gab Stimmverfälschungsmöglichkeiten.
    »Wenn ich wieder draußen bin, werde ich umgehend die Hunde füttern«, sagte er jetzt. »Dann werden Sie sehen, dass ich der bin, der ich bin.«
    »Komm zur Kamera.«
    Marc Antonius näherte sich der Kamera.
    »Halt dein Gesicht hin!«
    Er tat es.
    »Steig auf den Karton! Richtig nah!«
    Ich konnte nichts Außergewöhnliches erkennen.
    »Nimm deine Finger und quetsch die Wangen zusammen.«
    Er tat es.
    »Richtig hin und her.«
    Jede Maske wäre nun abgefallen.
    »Dreh dich um! Zeig mir den Nacken! Halt die Nackenhaare hoch!«
    Er tat es.
    »Also gut«, sagte ich, »tut mir leid, du scheinst es zu sein.«
    »Ich bin es.«
    »Dann geh jetzt.«
    »In Ordnung.«
    »Du fütterst die Hunde.«
    »Das Fleisch liegt im Jeep.«
    Marc Antonius tat jetzt etwas Außergewöhnliches. Er drehte sich noch mal zur Kamera und sagte: »Ich soll Sie grüßen.«
    »Was? Von wem?«
    »Von meiner Schwester.«
    Dann las er das Codewort für die nächste Woche, nahm meinen alten Karton mit dem Müll und verschwand. Die Außentür fiel ins Schloss, Marc Antonius trat zum Wagen, hievte den Müllkarton auf die Ladefläche, stemmte die Hände in die Seiten und stieß einen Pfiff aus. Jetzt endlich kamen die Hunde, ich beruhigte mich, denn die Hunde sprangen an ihm hoch und hechelten, und Marc Antonius warf von seinem Jeep aus die Fleischbrocken in ihre Richtung. Ich wandte mich wieder dem Eingangsraum zu, dort war alles ruhig, niemand war drinnen, nur der Karton mit meinen Lebensmitteln. Nach einer Weile stieg Marc Antonius in seinen Wagen und fuhr fort. Das letzte, was ich von ihm sah, war ein wenig Dreck, den seine Hinterräder vom Waldboden wirbelten, denn es war immer noch Sommer oder schon wieder. Ich verließ den Überwachungsraum, schloss die obere Treppentür auf, ging die geschwungene, breite Treppe hinunter, entriegelte die untere Treppentür und betrat die Halle. Mir fiel sofort eine Neonröhre auf, die flackerte. Ab und zu kommt es vor, dass eine Röhre ausgewechselt werden muss, ich ärgere mich jedes Mal darüber. Ich holte die Klappleiter sowie eine Ersatzneonröhre, stellte die Leiter auf und wollte schon hochklettern, als mich ein Gefühl beschlich, das ich gut kenne inzwischen, es war das Gefühl des Entzugs, denn ich hatte seit zehn Minuten nicht mehr auf meine Monitore geblickt, und ich wusste nicht, in dieser heiklen Situation, was draußen geschehen war, ich wusste nicht, was im vier Quadratmeter großen Eingangsraum geschehen war, obwohl dort drinnen ja nichts hatte geschehen sein können. Trotzdem ließ ich die Leiter unter der kaputten Neonröhre stehen, lief wieder hoch, betrat den Überwachungsraum. Draußen war alles ruhig, niemand zu sehen, im Eingangsraum alles beim alten, nur der Karton, sonst nichts und niemand. Ich ging wieder hinunter, zog zunächst den Karton in die Halle und schloss die Tür zum Eingangsraum. Als ich auf der Leiter stand, um die Neonröhre abzuschrauben, hörte ich ein Knistern in meinem Rücken. Ich fuhr herum. Der Karton. Da saß jemand drin! Ich war viel zu entsetzt, um zu schreien, und sprang von der Leiter. Der Karton öffnete sich, langsam, vorsichtig, fast wie in Zeitlupe, und der Zwerg zwängte sich heraus, eine Pistole in der Hand. Ich lief zur Treppe, und als ich sie erreichte, fiel ein Schuss. Die Kugel streifte meinen Oberschenkel, das tat für einen Augenblick höllisch weh, ich eilte sofort hoch, nachdem ich die Tür hinter mir verschlossen hatte. Ich dachte, ich kann nichts mehr tun, er ist drinnen, er ist hier, ich kann es nicht mehr rückgängig machen, ich habe nicht mal was zu essen hier, jedenfalls nicht mehr viel, der Zwerg ist eingebrochen und kann jetzt die anderen reinlassen, Kuttner, Wischnewski, Gonzales, er kann von innen die Türen öffnen.
    Ich zwang mich zur Ruhe. Warum, dachte ich, hat Marc Antonius ihn mir ins

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