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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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Haus geschleppt? Vielleicht haben sie seine Schwester in ihrer Gewalt? Ich wusste nicht weiter. Ich brauchte Hilfe von außen. Als ich den Telefonhörer abnahm, ertönte kein Freizeichen, ich drückte mehrmals die Taste, doch nichts geschah, und ich musste plötzlich lachen. Sie haben mich, dachte ich, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mir gegenüberstehen, ihre Säbel zücken und mir die Beine abhacken, sie haben gewonnen. Wenn es ihnen gelungen ist, meine Telefonleitung zu kappen, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis ich sie an der Tür zum Überwachungsraum höre. Ich musste jetzt, wollte ich noch eine Chance haben, schnell handeln. Ich lief in die Küche und brachte das wenige Essbare, das mir blieb, in den Überwachungsraum, ebenso die Matratze, füllte leere Flaschen mit Wasser und schleppte sie ebenfalls in den Überwachungsraum. Ich richtete mich auf eine lange Belagerung ein, doch dann wiederum dachte ich, dass es vollkommen sinnlos wäre, sich belagern zu lassen, irgendwann wäre jede Belagerung zu Ende. Daher nahm ich sämtliche Waffen aus dem Schrank im Überwachungsraum und legte sie auf den Tisch. Um mich zu beruhigen, dachte ich verrückte Dinge, ich dachte zum Beispiel, dass es für alles eine Erklärung gibt, zum Beispiel für das tote Telefon, ich dachte, vielleicht gibt es eine Störung im System, und wieder und wieder nahm ich den Hörer ab, um zu prüfen, ob das Freizeichen da war, aber das Telefon blieb tot, und als ich dann sah, wie die Hunde draußen zu torkeln begannen, wusste ich, dass es keine Rettung mehr gab, nur ein einziger Ausweg blieb mir, aber ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Ausweg jemals ernsthaft in Erwägung würde ziehen müssen, ich hatte immer gedacht, dieser letzte Ausweg sei nur ein hypothetischer Ausweg, nun aber dachte ich zum ersten Mal, dass ich nicht darum herum käme, diesen Ausweg zu wählen, wenn alles geschähe, wie ich es in diesen Sekunden voraussah, und es geschah alles genauso, wie ich es in diesen Sekunden voraussah.
    Denn jetzt erblickte ich den Zwerg. Er zog den Karton zu sich und holte Sprengladungen hervor. Er grinste ab und zu in die Kamera. Dann öffnete er – von innen war das nur ein Griff – die Eingangstür. Ich hielt Wache an den Monitoren, das Gewehr griffbereit, und als ich drei Gestalten zum Eingang huschen sah, lief ich zum Fenster, um Schüsse abzufeuern, doch ich zielte zu lange, Kuttner und Wischnewski waren schon an der Eingangstür, außerhalb meiner Reichweite. Und Gonzales? Hielt sich im Hintergrund. Ich ließ das Fenster offen, löschte die Lichter im Überwachungsraum, stand mit dem Gewehr im Anschlag eine halbe Stunde lang dort, so lange, bis Gonzales seine Deckung verließ, weil er mir eine solche Ausdauer nicht zugetraut hatte. Wie überrascht muss er gewesen sein, als er den Schuss hörte, als der Schuss ihn traf, als er stürzte, kurz vorm Eingang. Ich war selber erschrocken über meinen Erfolg. Die beiden anderen zerrten ihn zu sich ins Haus. Gonzales tobte. Er schrie vor Schmerzen. Ich hatte nur seinen Arm getroffen, der von den anderen verbunden wurde. Ich erkannte an Gonzales’ wilden Gesten, dass nun alles noch viel schlimmer für mich war, sie brannten darauf loszulegen. Ich kontrollierte alle paar Minuten die Telefonleitung, meine letzte Hoffnung, zwecklos.
    Ich hörte jetzt einen Knall, dann einen kollektiven Jubelruf: Gonzales, Kuttner und Wischnewski hatten die untere Tür zum Treppenhaus gesprengt. Jetzt stürmten sie hinauf, jeder mit Waffen und Sprengladungen, ihnen voran der Zwerg, ich konnte kurz sein Gesicht sehen, schwarz bemalt, mit Tarnfarbe, eine Glatze, seine Beine unglaublich kurz und so schnell, dass ich seine Schritte kaum voneinander unterscheiden konnte. Sie waren schon oben, waren schon da. Ich verfluchte mich. Ich hatte nicht weit genug gedacht. Ich hatte gedacht, meine Vorkehrungen würden reichen, sie mir aus dem Haus zu halten, die Feinde. Ich hatte das Haus gepanzert und zugemauert, hatte keine Öffnungen, nichts gelassen, und jetzt, wo sie hier waren, drinnen, bei mir, jetzt, wo ich dachte, dass es zum Schusswechsel kommen würde, jetzt sah ich, dass ich in meiner eigenen Falle saß. Ich hatte keine Schießscharte in die Tür zum Überwachungsraum bohren lassen. Hätte ich eine Schießscharte in die Tür bohren lassen, hätte ich meine Feinde vom Überwachungsraum aus erledigen können. Aber so blieb mir nur ein letzter Ausweg. Mein allerletzter Ausweg.
    Ich ging zum

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