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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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mich, ich mache kaum Fehler, ich bin voll da, ich lasse mich von nichts und niemandem ablenken, ja, einmal kam eine Fliege auf meiner Stirn zu sitzen, und ich merkte es nicht mal, ich tat nichts, um sie zu verscheuchen, sie blieb ganz still dort sitzen und reckte ihre zwei Vorderfüßchen, und als ich die Fliege beobachtete, ihr unhörbares, zartes Streichen der Vorderfüßchen, als ich sah, wie sie ihre Flügelchen langsam mit den Beinen glättete, da wischte ich mir über die Stirn, als säße sie immer noch dort, und ich musste lachen, weil ich für einen Augenblick die Gegenwart mit der Vergangenheit verwechselt hatte, das Aufgenommene mit dem, was gerade aufgenommen wurde. Ich blickte von meinem Monitor in die Kamera, die mich filmte, lächelte mir zu und freute mich darauf, mir dieses Lächeln morgen ansehen zu können.
    Besonders gern sehe ich mir beim Putzen zu, wenn mich eine Wut überfällt und eine Energie, die daher rührt, dass ich so viel auf einer Stelle sitze und starre, sowie daher, dass es stinkt in meiner Wohnung, da ich nicht lüfte, oder kaum lüfte, das heißt, nur lüfte, wenn ich Lust habe, mit einem Gewehr am Fenster Wache zu schieben, und da das nicht oft der Fall ist, stinkt es in meiner Wohnung, sodass mich die Wut packt, den Gestank mit allerhand Putzmittelgerüchen zu übertünchen, und dann liege ich auf dem Boden, schrubbe die Fliesen und schlage den Staub aus meinem Futon. Genauso liebe ich es, mich bei meinen sportlichen Aktivitäten zu beobachten. Ich könnte unten durch die Halle joggen, aber ich gehe ungern in die weiße Halle, ich mag sie nicht, ich meide sie, so weit wie möglich, nur am Dienstag muss ich hinab. Ansonsten bleibe ich oben und fahre mit den Beinen Rad, schlage Purzelbäume, mache Liegestütze, Handstand, gymnastische Verrenkungen, die an Yoga erinnern, und allerhand Sachen, die ich eigentlich selber nicht richtig zuordnen kann.
    Manchmal kann ich es nicht ertragen, mich zu sehen. Wer ist dieser Mann, denke ich dann, dieser Mann, der jeden Tag um fünf Uhr in die Küche zum Essenmachen geht? Er heißt Erich Cramm. Er ist vierundvierzig Jahre alt. Er überrascht mich immer mehr mit dem, was er tut. Manchmal kann ich mich nicht daran erinnern, getan zu haben, was Erich getan hat. Wenn er in der Küche ist, betrachtet er den Kühlschrank immer so, als hätte er Angst, das Aggregat könne anspringen. Er hat seinem Kühlschrank einen Namen gegeben, aus einer Laune heraus, eine Albernheit, ein kindisches Spiel, und so heißt nun der Kühl- und Eisschrank eben Freddy. Und jetzt die nächste DVD , Erich sitzt im Lebzimmer und schaufelt das Essen in sich hinein. Das tut er langsam, gleichförmig, fatal uninteressiert, als erfülle er eine lästige Pflicht. Ich bin überrascht, als er im Lebzimmer auf- und abgeht. Habe nicht gewusst, dass er so was tut. Einfaches Auf- und Abgehen. Dabei hat er den Blick auf den Boden gerichtet. Anschließend greift er zum Telefon und wählt eine Nummer. Er spricht. Er lauscht eine Weile in den Hörer. Manchmal nickt er sinnlos. Dann sagt er wieder was. Horcht. Redet. Wenn er spricht, zucken seine Lippen. Ich hasse dieses Zucken. Es ist ein unwillkürliches Zucken, für das er nichts kann. Es ist, als machten sich seine Lippen selbständig oder als würden sie für einen Augenblick in die Breite gerissen. Manchmal knabbert er mit den Zähnen an der Unterlippe. Die Unterlippe ist ein wenig geschwollen. Man sieht Bläschen, aufgeplatzte und schlecht verheilte Stellen. Jetzt dreht er sich weg, kehrt der Kamera den Rücken. Er nickt. Er nickt erneut. Dann macht er plötzlich eine rasche Pirouette und blickt direkt in die Kamera. Horcht wieder ins Telefon. Ich spule die DVD vor, im Schnelldurchlauf sehe ich, wie Erich noch eine Weile in den Hörer spricht. Jetzt legt er auf. Er sitzt noch kurz verkrampft mit dem Telefon in der Hand auf dem Futon. Ich sehe ihn mir genau an. Er trägt nur eine Jogginghose, geht barfuß, ist unrasiert, sein nackter Oberkörper wirkt milchig.
    Plötzlich lässt Erich das Telefon aufs Kissen gleiten und steht auf. Er scheint eine Idee zu haben. Etwas, das er tun will. Jetzt gleich. Er geht auf die Tür zum Überbrückungsraum zu. Öffnet sie, verschwindet. Er wird in die Küche wollen. Ich lege die Küchen- DVD ein, spule vor, suche nach der richtigen Zeit, und da ist er. Er sitzt tatsächlich in der Küche. Irgendwas hat er vor. Er schaut ununterbrochen zu Freddy. Erich wartet. Plötzlich, vielleicht genau in dem

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