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Irgendwann ist Schluss

Irgendwann ist Schluss

Titel: Irgendwann ist Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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wollen Sie damit sagen?«
    Torge säbelt heftig an der Ente. »Ich will sagen …«
    Da öffnet sich die Tür, und Gronauer senior tritt ein. Er trägt einen Anzug, die Haare ein wenig wirr, sein Gesicht ist rot, aufgedunsen. Dicht hinter ihm taucht der Kopf von Evi auf. Sie versucht, Gronauer zurückzuhalten.
    »Sie können hier nicht rein«, ruft Evi. »Sie müssen …«
    Gronauer reißt sich los, drängt sich in den Raum. »Lassen Sie mich. Ich will nichts Böses.«
    »Was soll das?«, ruft Koller. »Wir essen. Wir … Gronauer?«
    »Herr Koller«, sagt Gronauer.
    »Gronauer! Das ist jetzt … Wir essen gerade.«
    »Keine Bange«, sagt Gronauer. »Ich will mich nur ein Minütchen zu Ihnen setzen.«
    »Wie stellen Sie sich das vor?«
    »Essen Sie ruhig weiter, Herr Koller. Essen Sie. Lassen Sie sich nicht stören. Ich sitze einfach ganz ruhig hier und schaue Ihnen beim Essen zu. Mehr will ich nicht.«
    »So gehen Sie doch.«
    »Herr Koller, lassen Sie mich ein Minütchen hier sitzen. Wollen Sie mir das abschlagen? Essen Sie. Ich hab schon gegessen.« Jetzt blickt er zu Torge. »Sagen Sie: Kenn ich Sie nicht?«
    »Storch. Torge Storch, mein Name. Hab mal für Sie gearbeitet. Ist lange her.«
    »Kann schon sein«, sagt Gronauer. »Bitte, Herr Koller, essen Sie, mir zuliebe. Das ist die einzige Bitte, die ich habe. Ich hab Sie gesehen, wie Sie vorhin hier reingingen. Ich hab meiner Frau gesagt, ich will mich mal ein Minütchen zu ihm setzen. Meine Frau hat gesagt, ich soll Sie in Ruhe essen lassen, jaja, hab ich gesagt, ich lass ihn in Ruhe essen, ich will mich nur ein Minütchen zu ihm setzen und ihm beim Essen zuschauen. Sie waren nicht bei der Beerdigung?«
    Koller, ganz ruhig: »Sind Sie gekommen, um mir Vorwürfe zu machen? Wenn Sie gekommen sind, um mir Vorwürfe zu machen, können Sie gleich wieder gehen. Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen, Herr Gronauer. Ich habe korrekt gehandelt, Herr Gronauer. Ich habe nichts getan, was Sie nicht auch getan hätten. Was Sie nicht auch getan haben , Herr Gronauer. Als Sie noch Ihre Firma besaßen. Ich habe gesetzestreu gehandelt. Sie kennen die Gesetze, Herr Gronauer. Die Gesetze sind einfach: Wenn die Ampel auf Grün steht, gehe ich über die Straße. Wenn ich ein gutes Geschäft abwickeln kann, dann tue ich es! Und um ein gutes Geschäft abzuwickeln, darf ich nicht nach links oder rechts schauen. Um ein gutes Geschäft abzuwickeln, darf ich nur auf das Geschäft selbst schauen, auf nichts anderes. Sonst zerplatzt es, Herr Gronauer. Und wenn es zerplatzt, Sie wissen ja, was dann passiert. Das hat Konsequenzen, Herr Gronauer, unangenehme Konsequenzen. Mir geht es gut, ich kann nicht klagen, aber es geht mir nur deshalb gut, weil ich nicht nach rechts schaue und nicht nach links. Ich schaue immer nur geradeaus.«
    »Sie haben recht, Herr Koller. Ja, Sie haben recht. Nein, nein, ich hab nichts gesagt. Ich sag ja gar nichts. Gar nichts. Ich bin ganz still.«
    Koller isst weiter. Gronauer schweigt, beobachtet Koller beim Essen und tut sonst nichts. Koller blickt aus den Augenwinkeln immer wieder zu Gronauer. Plötzlich fällt ihm eine Kartoffel auf den Boden.
    »Ihre Kartoffel, Herr Koller!«, ruft Gronauer.
    »Lassen Sie sie liegen!«
    »Hier. Ich hab sie schon. Hier. Bitte, Herr Koller, die kann man noch essen, man kann hier vom Boden essen, im Münsters , das ist picobello ist das, picobello.«
    Torge hüstelt.
    Koller blafft: »Hab da was anderes gehört.«
    Gronauer: »Sie wollen die Kartoffel nicht mehr? Dann erlauben Sie.« Er schiebt sich die Kartoffel in den Mund. »Man soll nichts verkommen lassen.«
    Koller, peinlich berührt, setzt das eine oder andere Mal an, zu Gronauer zu sprechen, schweigt aber und isst langsam weiter. Es verstreichen Sekunden der Stille.
    Plötzlich sagt Torge zu Koller: »Soll ich Ihnen den Anfang meiner Symphonie vorspielen?«
    »Was?« Koller ist irgendwie froh über die Ablenkung.
    »Die Symphonie der Todesschreie«, sagt Torge und zeigt auf sein Tonbandgerät.
    »Sie meinen das nicht ernst, oder?«, fragt Koller.
    Torge drückt auf den Knopf: »Hören Sie zu.«
    Man hört nichts.
    Koller: »Ich höre nichts.«
    Torge fragt Gronauer: »Und Sie?«
    Gronauer deutet auf sein Hörgerät: »Ich hör sowieso schlecht.«
    »Seien Sie still«, ruft Torge. »Jetzt!«
    Alle horchen.
    Man hört immer noch nichts.
    »Das waren die Spinnen«, sagt Torge. »Das war der Chor der Spinnen.«
    Koller murmelt: »Das glaubt mir kein

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