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Irgendwas geht immer (German Edition)

Irgendwas geht immer (German Edition)

Titel: Irgendwas geht immer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn French
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voranzutreiben. Sie verbrachte endlose Stunden mit Nachsitzen. Stunden, zu denen sie nicht erschien, was weiteres Nachsitzen nach sich zog. Wozu sie wieder nicht erschien und so weiter und so fort. Die Lehrer rauften sich die Haare und bestellten uns zu höchst peinlichen und qualvollen Unterredungen in die Schule, um das Problem zu diskutieren. Mein reizender Ehemann war in diesen Stunden der Retter in der Not und navigierte mich, stets ruhig und gelassen, durch diese Gespräche, während ich jedes Mal im Begriff stand, einen Tobsuchtsanfall zu kriegen, meine Tochter zu verteidigen, mich in Erklärungen zu ergehen oder angesichts der schieren Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit in Tränen auszubrechen. Als Mr King fragte, ob wir glaubten, dass Dora »wenigstens die absoluten Mindestanforderungen, die wir an unserer Schule stellen«, bewältigen könne, spürte ich die Hand meines reizenden Ehemannes auf meinem Arm. Genau das war der Knackpunkt. Es war – »ihre« Schule, nicht Doras. Bedeutete das etwa, dass Dora nicht willkommen war? Nicht dorthin gehörte? Einfach nicht ins Gefüge passte?
    Mein reizender Ehemann hielt mir in regelmäßigen Abständen vor Augen, dass es doch nur die Schule war und Dora rein rechtlich noch nicht einmal mehr verpflichtet war, hinzugehen. Wieder und wieder betete er mir vor: »Sie ist gesund, sie ist nicht drogenabhängig. Sie ist keine Alkoholikerin. Sie ist nicht schwanger. Sie ist wunderschön. Du bist wunderschön. Alles ist in bester Ordnung. Also reg dich ab.« Und normalerweise hatte er auch völlig recht damit.
    Doch in den vergangenen Monaten habe ich fundamentale Veränderungen an Dora beobachtet. Sie geht jeden Morgen bereitwillig hin – ein echtes Novum. Wie soll ich den Lehrern erklären, dass sich für Doras Begriffe hier ein Prozess geradezu herkulischen Ausmaßes abspielt, dass sie sich wirklich bemüht, auf ihre eigene knurrige, widerwillige Art, am Leben teilzunehmen? Sich aus ihrer Isolation zu befreien und sich einzugliedern. Aus unserer Sicht grenzt das an ein Wunder, und wir schwenken vor Begeisterung bereits die Fähnchen. Ich habe beschlossen, auch ein Fähnchen für den fiesen Mr King, ihren Klassenlehrer, zu basteln, um ihn zu ermutigen, ihre verblüffende Verwandlung aktiv zu unterstützen, statt sie nur für ihre frustbedingte Schwänzerei zu bestrafen.
    Und so kommt es, dass sie sich jetzt, im letzten Schuljahr, tatsächlich ein wenig mehr ins Zeug legt, statt sich ständig nur gegen alles und jeden aufzulehnen. Besser spät als nie. Ich wünschte fast, sie könnte in die siebte Klasse zurückgehen und es ein zweites Mal versuchen; diesmal mit der Überzeugung, dass die Schule nicht die Hölle auf Erden ist, wo einen die Dämonen mit heißen Eisen in Gestalt von Klassenarbeiten drangsalieren. Oder mit Hausarbeiten oder sonstigem Teufelswerk. Hausarbeiten nehmen auf meiner »Dinge, die unnötig, böse und schlicht und ergreifend falsch sind«-Liste Platz zwei ein. Gleich hinter Leggings.
    Aber genug Gift und Galle versprüht. Doras Elternabend ging in der gewohnt freudlosen Manier an uns vorüber – endloses Herumstehen, bis man endlich an der Reihe ist, um sich dann von einer Reihe herablassender Drachen und Kotzbrocken so behandeln zu lassen, als hätte man seine Kinder nicht im Griff. Natürlich ist das Ganze für mich immer mit besonderem Druck verbunden, weil ich schließlich meinen Lebensunterhalt als Kinder- und Jugendtherapeutin verdiene. Und sie unterrichten die Kinder. Deshalb gibt es zwei Muster, nach denen das Ganze abläuft:
     
Diebisches Vergnügen und blanke Schadenfreude über die Tatsache, dass ich mit einem nicht perfekten Kind geschlagen bin. Einem Kind, das ich nicht »retten« oder »therapieren« kann. Sie genießen das geradezu. Herrlich!
    ODER
Sie fühlen sich bedroht, weil ich über die Fähigkeit verfüge, genau zu analysieren, inwiefern sie mein Kind missverstehen. Mit anderen Worten: In ihren Augen kann ich mir mein Psychogequatsche gern schenken und verschwende viel zu viele Gedanken auf mein Kind und seine Probleme.
    Wahrscheinlich von beidem ein bisschen, aber nur ganz wenig. In puncto Dora und Elternabend bin ich nichts weiter als eine ganz normale Mutter, was mich emotional und folglich hilflos macht. Ich ertrage es nicht, wenn jemand auf sie losgeht. Ich nehme es viel zu persönlich, das weiß ich, weil ich genau sehe, welche Wirkung ihre fahrlässigen Unterminierungen haben, und weil Dora mir leidtut.
    Aber diesmal

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